Verantwortlichkeit braucht klare Bilanzen

Gastbeitrag von Dominic Santschi, Mitgründer von Ampliphi

Die Verantwortlichkeiten für die globale Plastikmüll-Krise sind umstritten und werden auf unterschiedliche Arten und Weisen zugeteilt. Ein Hauptgrund für diese fragmentierte Zuteilung ist die mangelnde Transparenz der Materialflüsse.

Die Verantwortlichkeiten für die globale Plastikmüll-Krise sind umstritten und werden auf unterschiedliche Arten und Weisen zugeteilt. Ein Hauptgrund für diese fragmentierte Zuteilung ist die mangelnde Transparenz der Materialflüsse.

Stand heute sind sich nämlich nur die wenigsten Unternehmen bewusst (1), welche Kunststoffe in ihren Produkten eingesetzt werden, wo ihre Abfälle anfallen und wie diese schlussendlich verwertet werden. Das daraus resultierende Unwissen ist problematisch, da daraus kein Anreiz zur Verantwortlichkeit geschaffen wird.(2)

Die Plastikmüll-Bilanzierung bietet hier ein vielversprechendes Konzept, um mehr Transparenz und somit auch das Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit Kunststoffabfällen zu fördern.(3)

Das Konzept der Plastikmüll-Bilanzierung

Bei der Plastikmüll-Bilanzierung wird die Menge und die Art von Plastikmüll erfasst, welche auf die direkten Aktivitäten einer Unternehmung zurückzuführen ist. Anfallende Abfallgebühren, die Kreislaufwirtschaftsfähigkeit und zusätzlich auch Kennzahlen wie Recyclingquoten oder die Verwendung von recyceltem Kunststoff fließen in die Bilanzierung ein. Das führt Unternehmen transparent vor Augen, wo sie in puncto Kunststoffabfälle stehen und schafft damit Bewusstsein für den eigenen Beitrag
zur weltweiten Plastikmüll-Problematik.

Das Konzept der Plastikmüll-Bilanzierung unterscheidet sich dahingehend vom digitalen Produktpass, dass die Datentransparenz nicht nur zu einem Produkt vorliegt, sondern für die gesamte Unternehmung geschaffen wird. Durch diese ganzheitliche Analyse können Unternehmen die Umwelteinflüsse ihrer verschiedenen Produkte miteinander vergleichen und ihre konsolidierten Kennzahlen im Vergleich mit ähnlichen Firmen einordnen.

Wie die Digitalisierung die Plastikmüll-Bilanzierung unterstützt

Wie im Fall der Lebensmittelindustrie, wo die Digitalisierung bereits zu vielversprechenden Entwicklungen durch mehr Transparenz beigetragen hat(4) bietet sie auch im Fall der Plastikmüll-Krise Potenzial.(5) Denn durch den Einsatz von Technologien können beispielsweise Kunststoffverpackungen lückenlos erfasst und über ihre gesamte Lebensdauer verfolgt werden. Lieferketten werden somit transparent abbildbar.

Unternehmen, die sich dann bewusst für eine Veröffentlichung ihrer Bilanzierung entscheiden, schaffen nicht nur Transparenz gegenüber der kritischen Öffentlichkeit, sondern lösen auch internen Handlungsdruck aus. Denn ein bestärktes Verantwortungsbewusstsein allein reicht nicht aus, wenn in der Konsequenz keine Taten folgen. Positive Beispiele(6) belegen, dass durch die Offenlegung der Plastikmüll-Bilanz Unternehmen und Organisationen zu ambitionierten Maßnahmen zur Reduzierung ihres Plastikmülls greifen, indem beispielsweise Ressourceneinsparungen vorangetrieben und die Verwendung von recyceltem Kunststoff gefördert wird. Dieses Engagement hat nicht nur langfristig positive Auswirkungen auf die Umwelt und die Reputation der Unternehmen, sondern auch das Potenzial, den Übergang zu einer nachhaltigen und verantwortungsbewussten Wirtschaft zu unterstützen.

Plastikmüll-Bilanzierung, quo vadis?

Die Einführung der Plastikmüll-Bilanzierung ist jedoch noch mit einigen Herausforderungen verbunden. Denn es bedarf einer einheitlichen Methodik und Standards(7), um Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen und Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. Zudem müssen Unternehmen gewillt sein, ihre Daten tatsächlich offenzulegen(8) und die Ergebnisse ihrer Bilanzierung zu kommunizieren. Dies erfordert ein zwingendes Umdenken und einen Kulturwandel in der Unternehmenspraxis. Und natürlich setzt es die Bereitschaft voraus, sich dem öffentlichen Druck zu stellen, der mit einer Veröffentlichung und der gesellschaftlichen Erwartungshaltung gegenüber Unternehmen einhergeht, Verantwortung zu übernehmen.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Der Circularity Code

Fußnoten

(1) Vgl. POLYPROBLEM (2019)

(2) Vgl. POLYPROBLEM (2020)

(3) ETH Zürich – sus lab (2020)

(4) Duda et al. (2023)

(5) Vgl. ReiProk (o. J.)

(6) Ampliphi (2022)

(7) PREVENT Waste Alliance (2023) (3)

(8) Ellen MacArthur Foundation (2022) (1)

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