Cash for Trash oder Service?

Interview mit Agnes Bünemann, Geschäftsführerin bei Cyclos GmbH über die Integration des informellen Sektors in die Abfallwirtschaft.

 

Welchen Regeln folgt der informelle Sektor in der Abfallwirtschaft?

Der informelle Sektor arbeitet nach dem Prinzip Cash for Trash. Die Abfallsammlung erfolgt sehr selektiv, indem nur das gesammelt wird, wofür es Geld gibt. Neben Metalldosen und Papier ist Plastik für den Sektor kaum relevant, mit der Ausnahme von PET-Flaschen. Genau hier liegt das Problem: Für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und Erweiterte Produzentenverantwortungssysteme, kurz EPR-Systeme genannt, muss jede Art von Abfall gesammelt werden.

Was braucht es für die Integration des informellen Sektors?

Die Formalisierung des Sektors ist sehr wichtig für die Etablierung funktionierender Abfallwirtschaftssysteme. Hierfür braucht es ein generelles Umdenken im Sektor hin zu einem Cash for Service Prinzip – also weg von einem materialorientierten hin zu einem serviceorientierten Denken. Es müssen verbindliche Arbeitsverhältnisse für Abfallsammler geschaffen werden entweder als selbstständige Businesspartner oder Angestellte. All das sind Grundvoraussetzungen für die Transformation des informellen Sektors. Nur wenn ein tatsächlicher monetärer Mehrwert in der Formalisierung des Sektors gesehen wird, kann auch ein Verständnis dafür entwickelt werden, dass jede Art von Müll gesammelt, korrekt sortiert und wiederverwertet beziehungsweise entsorgt werden sollte.

Welche Vorzüge birgt die Integration für Abfallsammler?

Ein reguläres Einkommen, die Minimierung gesundheitlicher Risiken und eine daraus resultierende Verbesserung des sozialen Status und der Business Praktiken zum Beispiel durch Abnahmegarantien für Abfälle. Wichtig hierbei ist, dass die heute informell arbeitenden Personen die Möglichkeit haben, sich rechtlich zu Arbeitsverträgen, -bedingungen und ihren Rechten als Angestellte beraten zu lassen – sei es durch Organisationen, Verbände oder Gewerkschaften.

Wen sehen Sie in der Verantwortung für die Integration des informellen Sektors?

Da es sich bei der Abfallwirtschaft nicht um ein finanziell selbsttragendes System handelt, sind Zusatzfinanzierungen notwendig. Im Fall von staatlichen Akteuren (Kommunen, lokale administrative Einheiten) wissen wir, dass dort oftmals nicht genügend Gelder zur Verfügung stehen. Eine Möglichkeit für den Aufbau und die Finanzierung nachhaltiger Abfallwirtschaftssysteme stellen deshalb Erweiterte Produzentenverantwortungssysteme dar (vgl. Kapitel „Im Kreisverkehr“). Wichtigste Voraussetzung hierfür ist die Registrierung von Arbeiter und Arbeiterinnen im Sektor und die Erfassung von Müll und dessen Verwertung. Da EPR aber grundsätzlich nur bei einigen Abfallarten wie zum Beispiel bei Verpackungen, Elektroschrott oder Batterien zum Tragen kommt und kompostierbare Abfälle teilweise 60 Prozent des gesamten Abfalls ausmachen, scheint eine Kombination aus EPR und kommunalen Initiativen erstrebenswert.

Gibt es bereits Länder im globalen Süden, die sich der Herausforderung angenommen haben, den informellen Sektor zu integrieren? Gibt es aus Ihrer Sicht bestimmte Erfolgsfaktoren in Bezug auf die Integration des informellen Sektors?

Es gibt kein Allheilmittel! Das liegt vor allem an den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und verschiedenen politischen Rahmenbedingungen. Was in einem Land erfolgreich ist, muss also nicht zwangsläufig woanders genauso gut funktionieren. Bis in die 80er- Jahre gab es in Deutschland auch noch viele informelle Schrotthändler, die erst per Gesetz formalisiert wurden. In Chile gibt es ein Gesetz zur Erweiterten Produzentenverantwortung (Ley de Responsabilidad Extendida del Productor y Fomento del Reciclaje), das private Abfallwirtschaftsunternehmen, die im Rahmen des EPR-Systems tätig werden, dazu verpflichtet, sich elektronisch zu registrieren und Angaben zu Art, Menge, Herkunft und Bestimmungsort der gesammelten Abfälle zu machen. Dies gilt auch für Abfallsammler, die in das EPR-System einbezogen werden sollen. In Ghana sind es zivilgesellschaftliche Initiativen, die angefangen haben, in Zusammenarbeit mit Abfallsammlern, Kommunen und anderen Stakeholdern das Sammeln von PET-Flaschen zu organisieren. Grundsätzlich braucht es für EPR-Systeme rechtliche Rahmenbedingungen vom Gesetzgeber – zahlreiche Unternehmen sind auch bereit, sich dahingehend zu verpflichten.