Die Zukunft von Plastik in der Umweltbildung

Interview mit Bianca Bilgram, Leiterin der Geschäftsstelle Bildung für nachhaltige Entwicklung bei der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. Bonn, über Umweltbildung und Entwicklungsmöglichkeiten

Welche Rolle spielt das Themenfeld Kunststoff und Umwelt im UNESCO-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)?

Viele Initiativen, die wir auszeichnen, beschäftigen sich im Rahmen ihres Engagements für Bildung für nachhaltige Entwicklung auch mit Plastikvermeidung und Plastikentsorgung. Wir merken, dass das Thema Plastikvermeidung ein drängendes ist. Wir sind allerdings kein Umsetzer von Initiativen, sondern stehen im Austausch mit vielen Initiativen. Wir wirken an Veranstaltungen mit und stellen unsere Expertise zur Verfügung. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, das die Federführung für die nationale Umsetzung des UNESCO-Weltaktionsprogramms BNE übernommen hat, zeichnen wir Initiativen für ihre herausragende Arbeit zu BNE aus. Auf einer Akteurskarte auf dem BNE-Portal (bne-portal.de) stellen sich die ausgezeichneten Initiativen und weitere BNE-Akteure vor. Darüber hinaus gibt es in Deutschland sehr viele weitere Initiativen, die sich mit dem Thema Kunststoff und Umwelt auseinandersetzen – unter anderem UNESCO-Projektschulen oder auch Biosphärenreservate.

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Bildungsmaßnahmen im Bereich Plastik?

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, eine Brücke zwischen dem non-formalen und dem formalen Bildungsbereich zu schlagen. Schulische und außerschulische Bildungsprogramme für nachhaltige Entwicklung werden zumeist getrennt betrachtet und entwickelt. Da müssen mehr Anschlussmöglichkeiten und Verbindungen geschaffen werden.

Eine stetige Herausforderung ist auch die finanzielle Sicherung der Bildungsprojekte, um diese langfristig umsetzen zu können. Es geht darum, Projektarbeit zu verstetigen, Strukturen zu schaffen.

Wo wird dem Thema zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt?

Es passiert gerade sehr viel – auch da das Thema Mikroplastik durch verschiedene Studien momentan sehr präsent ist. Das merkt man in den Bildungsaktivitäten an Schulen oder Hochschulen und im außerschulischen Bereich. Entwicklungsmöglichkeiten sehen wir vor allem im Bereich der Vermeidung beziehungsweise der Frage nach der zukünftigen Rolle von Plastik und seiner sinnvollen Verwendung. Diese Diskussion ist wichtig, um Alternativen zu entwickeln, gerade was alltägliche Gebrauchsgegenstände angeht.

Darüber hinaus ist es ist wichtig, sich bei BNE-Initiativen nicht nur auf die Schüler und Jugendlichen zu konzentrieren. Ohne Frage spielt diese Zielgruppe eine wichtige Rolle, allerdings ist es auch wichtig, sich konkret damit auseinanderzusetzen, wie wir lebenslanges Lernen ermöglichen. So wäre es sinnvoll, den Blick auch auf die Erwachsenenbildung und berufsbegleitende Möglichkeiten in der Aus-, Fort- und Weiterbildung oder auch im eigenen Industriezweig zu richten.

Ein Ansprechpartner in diesem Bereich ist das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)69. Im Rahmen mehrerer Modellversuche in verschiedenen Wirtschaftszweigen werden Innovationen in der betrieblichen Berufsbildung entwickelt, erprobt und für den Transfer aufbereitet.

Wo liegt das Potenzial von BNE im Bereich Plastik?

BNE als Bildungskonzept zielt darauf ab, Menschen für einen Perspektivwechsel zu befähigen. BNE kann dazu beitragen, das Thema Plastik und Plastikentsorgung in Deutschland und international kritisch zu reflektieren. BNE als Konzept ist gerade dafür gedacht, zukunftsfähige Lösungen für den Ausgleich zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Aspekten zu finden. Hierbei ist zentral, dass der Reflektionsprozess eine Selbstwirksamkeit erlebbar macht. Lernende müssen erfahren können, was jeder Einzelne von uns tun kann, um zu Veränderungen beizutragen.

Im europäischen Vergleich ist erkennbar, dass eine ganzheitliche Betrachtung der Plastikproblematik auch in Deutschland noch verstärkt werden könnte – das heißt, dass es nicht nur um die Entsorgung geht, sondern auch vorher bei der Verwendung und Vermeidung angesetzt werden muss. Andere Länder sind diesbezüglich teilweise schon weiter.

Ein aktuelles Beispiel: Die Verbote von Einwegplastikartikeln sind regulatorische Maßnahmen und haben auf den ersten Blick nichts mit Bildung zu tun. Bildung für nachhaltige Entwicklung kann ermöglichen, Bewusstsein und Verständnis für solche regulatorische Maßnahmen zu schaffen und sich gleichzeitig weiter kritisch mit der Problematik auseinandersetzen, um darauf aufbauend weitere Lösungen entwickeln zu können.

Mit Blick in die nächsten fünf bis zehn Jahre: Wie würden Sie das Thema Plastik im BNE-Bereich verorten und welche Rolle spielen andere Akteure dabei?

Plastik ist ein wichtiges Thema für BNE, und angesichts der derzeitigen Entwicklungen sieht es so aus, dass die Bedeutung weiter zunimmt. Das zeigt auch die starke Präsenz des Themas in den Medien. Mit Blick auf die Wirtschaft und hinsichtlich Fragen der Vermeidung, Produktion oder Verwendung von Plastik, können BNE-Maßnahmen im Sinne des lebenslangen Lernens sinnvoll wirken: zum Beispiel, indem man einen offenen Dialog, nicht nur im formalen Bildungsbereich, sondern auch mit Jugendlichen anstößt. Auch innerhalb der Unternehmen selbst sind solche Dialoge sinnvoll. Sie können auf die Unternehmenskultur und auf die Unternehmenspartner einwirken. Wichtige Impulse können auch Stiftungen und andere Fördergeber setzen, da diese mit der Förderung von Pilotprojekten Veränderungen anstoßen können.

BNE ist in der Forschungsreihe Forschung Nachhaltige Entwicklung (FONA70) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung
(BMBF) zur Leitlinie erklärt worden. Sind hier bereits Effekte dieser formalen Aufwertung sichtbar?

In traditionellen Bereichen wie dem Forschungs- und Bildungssektor braucht es Zeit, bis sich die Strukturen verändern. Sichtbar ist bereits, dass gerade was den Wissenstransfer zwischen Forschung und Bildung betrifft, die Leitlinie verstärkt greift. Bildung für nachhaltige Entwicklung wurde bisher zumeist als Zusatz im Anschluss an wissenschaftliche Forschung gedacht. Das ändert sich gerade. Ein Beispiel ist das Projekt Hoch N2, das sich mit der Verankerung von Nachhaltigkeit an Hochschulen auseinandersetzt. Hier gibt es sicherlich noch viel Potenzial, aber erste Wegmarken sind gesetzt.

 

69 Bundesinstitut für Berufsbildung, letzter Abruf am 09.11.2018

70 Bundesministerium für Bildung und Forschung (2016)