Druck auf die Politik aufbauen

Interview mit Joan Marc Simon, Executive Director bei Zero Waste Europe, über Präventionspolitik und Maßnahmen, die über Recycling hinaus gehen.

Über Zero Waste Europe

Zero Waste Europe ist eine europäische Organisation mit Mitgliedern aus 26 Staaten und selbst wiederum Teil einer globalen Bewegung namens GAIA. Diese umfasst mehr als 1.000 Organisationen, die daran arbeiten, nicht nur Plastik, sondern Abfall insgesamt zu reduzieren. Zero Waste Europe versteht sich als „Policy Maker“. Von Brüssel aus koordiniert die Organisation unter anderem ein Netzwerk aus rund 400 Kommunen und hilft diesen, Null-Abfall- Pläne zu implementieren. Daraus hat Zero Waste Europe einen guten Überblick darüber, was sich international auf den lokalen Ebenen abspielt.

Was macht Zero Waste Europe?

Wir sind eine Kampagnen-Organisation. Beispielsweise starteten wir vor über sieben Jahren den „Plastic Free Day“. Dass die EU jetzt den Umgang mit Einweg-Plastik gesetzlich regelt, ist das Resultat jahrelanger Arbeit. Zudem koordinieren wir auch die weltweite Kampagne #breakfreefromplastic in Europa und die ebenfalls in Brüssel angesiedelte „Rethink Plastic Alliance“ mit dem Ziel, Druck auf die Politik aufzubauen.

Noch vor einem Jahr lautete die gängige Meinung, das Problem bestünde allein darin, dass Plastik zu oft in der Umwelt lande und man es nur einsammeln und wiederverwerten müsse. Wir glauben nicht, dass Recycling die Lösung des Problems darstellt. Es geht um mehr. Wir brauchen eine Politik der Prävention, also der Vermeidung von Abfall.

Wie unterstützen Sie eine Politik der Prävention?

Wir unterstützen beispielsweise alternative Geschäftsmodelle wie essbare Strohhalme, Alternativen für Einweg-Windeln oder wiederverwertbare Liefersysteme, indem wir sie bekannt machen und Entscheidern in Politik und Wirtschaft als gute Beispiele vorstellen. Vor zehn Jahren haben wir den ersten verpackungsfreien Laden in Europa eröffnet. Heute gibt es tausende.

Wichtig ist eine ganzheitliche Betrachtung des Problems, das Erkennen der Wurzeln. Die petrochemische Industrie produziert immer mehr Kunststoff, weil sie damit mehr Geld verdient als mit dem Verkauf von Öl. Wir müssen solche Hintergründe und ökonomischen Anreize verstehen, um einen Ansatz als Gesellschaft zu finden.

Dazu passt die Diskussion über eine Plastiksteuer in der EU. Bei der Ausgestaltung muss es darum gehen, Anreize für die Mitgliedsstaaten zu schaffen, weniger neues Plastik zu produzieren und mehr zu recyceln. Daneben brauchen wir aber dringend gemeinsame, international anerkannte Qualitätsstandards für Kunststoffe bezüglich ihrer Wiederverwertbarkeit. Die Industrie müsste sich einigen, welche Polymere und Additive sie für welche Anwendungen verwendet, um die Recyclingfähigkeit insgesamt zu erhöhen.

Auf der zivilgesellschaftlichen Ebene fällt auf, dass es zahlreiche Netzwerke und kollaborative Initiativen in den USA und in Europa gibt, aber keine organisationsübergreifende Plattform in Asien und Afrika, obwohl dort das Problem am stärksten ist. Wir im globalen Norden erstellen Studien über Probleme im globalen Süden und schlagen dabei ausschließlich Lösungen aus dem Norden vor.