Reinere Kunststoffabfälle für effizienteres Recycling

Interview mit Michael Hillebrand, Verbindungsbüro Berlin von Plastics Europe Deutschland e.V. über die Herausforderungen im Recycling und Regulierungsansätze in Deutschland und der EU.

Über PlaticsEurope Deutschland e.V.

PlasticsEurope Deutschland e. V. ist der Verband der Kunststofferzeuger in Deutschland. Er vertritt die politischen und wirtschaftlichen Interessen seiner Mitgliedsunternehmen. Insgesamt vereint Plastics Europe 100 Mitgliedsunternehmen unter seinem Dach. Diese produzieren mehr als 90 Prozent der Kunststoffe in der EU. In den letzten Jahren hat sich PlasticsEurope auf europäischer Ebene für einheitliche Qualitätsstandards von kunststoffhaltigen Abfallströmen eingesetzt, um eine Erhöhung der Recyclingquoten zu unterstützen.

Warum liegt die derzeitige Recyclingquote hinter dem technisch Möglichen?

Die Gründe sind vielfältig und erstrecken sich fast über den gesamten Stoffkreislauf von Kunststoff. Kunststoffprodukten wird, je nach Anwendungsbereich, eine Bandbreite an Zusatzstoffen beigemischt. Diese führen zwar dazu, dass ein Produkt besonders hart oder feuerbeständig ist, sie verringern aber auch die Recyclingfähigkeit. Hinzu kommt, dass immer häufiger auch zu Verbundstoffen28 gegriffen wird. Ihre komplexe werkstoffliche Zusammensetzung macht es bestehenden Recyclingtechnologien daher zusehends schwerer, diese zu trennen.

Unsachgemäße Entsorgung durch Verbraucher oder Verkäufer ist eine weitere Herausforderung, wenn die Plastikverpackung zum Beispiel in der schwarzen und nicht in der gelben Tonne landet oder wenn Supermärkte Plastikverpackungen samt abgelaufenen Hähnchenschenkeln entsorgen. All das führt zu einer geringeren Qualität der kunststoffhaltigen Abfallströme und damit zu einer niedrigeren werkstofflichen Verwertung.

Je sortenreiner die Kunststoffabfälle, desto besser die Recyclingfähigkeit. Aus diesem Grund arbeiten wir eng mit politischen und wirtschaftlichen Vertretern und Vertreterinnen zusammen, um die Qualität der Abfallerfassung sowie auch der anschließenden Abfallaufbereitung zu verbessern.

Was braucht es für eine bessere Verwertung von kunststoffhaltigen Abfallströmen in Deutschland?

Deutschland ist in Bezug auf Recycling und Verwertung im Vergleich zu anderen Ländern trotz der eben erwähnten Herausforderungen gut aufgestellt. Die Sortieranlagen in Deutschland sind durch beste verfügbare Anlagentechnologie schon sehr gut in der Erkennung unterschiedlicher Stoffe, zum Beispiel mithilfe von Infrarot. Auf diese Weise kann heute das Recycling durch sogenannte Kunststoffartentrennung signifikant verbessert werden. Die Restfraktionen werden heute in modernen Anlagen energetisch verwertet.

Nichtsdestotrotz sieht das von der Bundesregierung ratifizierte neue Verpackungsgesetz unter anderem vor, dass die Recyclingquote für Kunststoffe von derzeit 36 auf 69 Prozent bis 2022 ansteigen soll. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, braucht es intensive Anstrengungen sowohl beim Design von kunststoffhaltigen Produkten, als auch bei der Sortierung von Kunststoffabfällen. Im Klartext heißt das zum einen, dass sich kunststoffverarbeitende Unternehmen schon bei der Entwicklung von Produkten darüber Gedanken machen müssen, wie diese am Ende bestmöglich wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können. Zum anderen müssen Verbraucher noch stärker als bisher über eine sachgemäße Mülltrennung aufgeklärt werden. Zusätzlich braucht es einheitliche Normen, die dafür sorgen, dass die Qualität der Abfallerfassung und -aufbereitung weiter steigt.

Wie sieht es auf europäischer Ebene aus?

Mit Blick auf die europäische Union sehen wir vor allem zwei Herausforderungen. Zum einen herrscht noch kein flächendeckendes Deponieverbot für heizwertreiche Siedlungsabfälle. Die EU hat in ihrer jüngsten Novelle des abfallgesetzlichen Paketes der EU-Kreislaufwirtschaft beschlossen, dass die Abfallablagerung auf Deponien noch bis 2035, zum Teil sogar bis 2040, hinausgezögert wird. Dies konterkariert alle Bemühungen in Richtung Recycling und Verwertung.

Zweitens braucht es einen europäischen Binnenmarkt mit definierten Qualitäten für Produkte der Verwertungsverfahren, sowohl aus dem Recycling als auch der energetischen Verwertung. Derzeit gibt es einen Flickenteppich an unterschiedlichen Standards auf nationaler Ebene.

 

 

28 Verbundstoffe sind Verpackungsmaterialien, bestehend aus mindestens zwei verschiedenen Materialien, die vollflächig miteinander verbunden sind und sich nicht von Hand trennen lassen (Lumitos AG, 2018)