Den informellen Sektor integrieren – aber wie?
Interview mit Sujoy Chatterjee, Geschäftsführer bei SOCEO gGmbH, über nachhaltige Unternehmensmodelle zur Sammlung von Kunststoffabfällen in ländlichen Gebieten und dem informellen Sektor in Indien.
Was sind die Hauptziele von SOCEO und was wollen Sie mit Ihrem Projekt in den Sundarbans erreichen?
SOCEO ist ein Ideenunternehmen, das sich im Bereich der sozialen Innovation und des Unternehmertums engagiert. Im Rahmen des von der Röchling-Stiftung geförderten Projekts „Combatting plastic pollution in the Sundarbans, India“ ist SOCEO dabei, nachhaltige Unternehmensmodelle für die Sammlung von Kunststoffabfällen in ländlichen Gebieten zu entwickeln und umzusetzen, die den informellen Sektor, gemeindebasierte Organisationen sowie Initiativen der Regierung einschließen. Ziel ist die Entwicklung eines Transferpakets, die Schulung von Einheimischen in der Anwendung dieses Transferpakets und schließlich dessen Weitergabe an andere interessierte Organisationen.
Wie hat sich Ihr Projekt bisher entwickelt und wie ist der aktuelle Stand?
Seit 2018 analysieren wir an ausgewählten Standorten die Menge und Art des Kunststoffabfallaufkommens sowie gegebenenfalls bestehende Abfallsammlungsmechanismen. Unsere Studien in den Sundarbans haben ergeben, dass die Menge der Kunststoffabfälle zwischen den einzelnen Inseln variiert. Dort, wo wir die Studien durchgeführt haben, wurden gemeindebasierte Organisationen errichtet, die Kampagnen, Gemeindekonsultationen und Dialoge mit der lokalen Verwaltung durchführten als Grundvoraussetzung für die Schaffung eines Kunststoffabfallmanagements. Nach erfolgreichen Tests einiger Modelle wollen wir diese Modelle nun auf eine größere Anzahl von Standorten ausdehnen.
Im Rahmen Ihres Projektes arbeiten Sie mit dem informellen Sektor zusammen. Wäre das nicht auch für den formellen Abfallwirtschaftssektor ein sinnvoller Ansatz zur Effizienzsteigerung?
Auf den ersten Blick scheint die Integration des informellen Sektors in den formellen Sektor ein sinnvoller Ansatz zu sein. Doch es gibt in Indien keine verlässlichen Daten, was die Gesamtzahl der Abfallsammler anbelangt. Es wäre eine riesige Herausforderung für den formellen Sektor, all diese Menschen aufzunehmen. Und weil nicht alle von ihnen integriert werden können, stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien sich die Integration entscheidet. Auch unter wirtschaftlichen Aspekten gestaltet sich die Integration schwierig, da es unmöglich scheint, einer derart großen Anzahl von Abfallsammlern ein angemessenes Einkommen zu garantieren.
Welche Ansätze zur Formalisierung des informellen Sektors gibt es bereits und was macht sie erfolgreich?
Es gibt mehrere erfolgreiche Ansätze, insbesondere im städtischen Raum. Einige Städte stellen den Abfallsammlern Ausweise aus, wodurch sie offiziell von der Stadt anerkannt werden und Zugang zu verschiedenen Leistungen erhalten. Darüber hinaus gibt es erfolgreiche Beispiele von Gewerkschaften oder Kooperativen, die es den Betroffenen erleichtern, sich für ihre Rechte einzusetzen und ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern.
Wo sehen Sie die größten Hindernisse für eine gelungene Integration des informellen Sektors?
Das größte Hindernis stellt der Bildungsmangel dar. Wenn es uns nicht gelingt, auch dem marginalisiertesten Teil unserer Gesellschaft ein höheres Bildungsniveau zu gewährleisten, werden Abfallsammler weiterhin eine schwache Position haben.
Kennen Sie ein gutes Praxisbeispiel für ein flächendeckendes Abfallsammelsystem unter Einbeziehung des informellen Sektors?
Eines der bekanntesten Beispiele in Indien ist SWaCH in Pune, ein Zusammenschluss von über 3.500 Abfallsammlern in Form eines sozialen Unternehmens.