Organisierte Verantwortunglosigkeit

Interview mit Sascha Roth, Referent für Umweltpolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), über Kreislaufwirtschaft und die Verantwortlichen in der Transition.

Welche Bedeutung hat eine bessere Abfallwirtschaft an den asiatischen Hotspots für die Bewältigung des Plastikproblems?

Der Kern des Problems ist weltweit identisch: Wir wirtschaften mit Kunststoff noch immer linear, trotz aller technologischen Fortschritte beim Recycling. Dieser grundlegende Fehler ist kein spezifisches Problem des globalen Südens. Dass in Südostasien die größten Mengen an Plastikabfall in die Gewässer gelangen, ist unbestritten und bedarf auch schneller Maßnahmen. Aber die Ursachen beheben wir nur mit einer Umkehr von unserem linearen Wirtschaftsmodell hin zu einer echten Kreislaufwirtschaft.

Was können Unternehmen, staatliche Institutionen und Netzwerke aus den westlichen Industrienationen als Förderer dazu beitragen?

Der asiatische Teil der Welt kann aus den Fehlern lernen, die wir beim Umgang mit Plastik und Abfall gemacht haben. Ein Wissenstransfer über Technologien und sinnvolle Anreizmechanismen für die Ausgestaltung einer umweltfreundlichen Produktverantwortung sind sehr wichtig. Abfallwirtschaft muss in geteilter Verantwortung zwischen Staaten und Privatwirtschaft organisiert werden.

Was müsste anstatt gut gemeinter, internationaler Projekte entstehen?

Ein globales Abfallregime, vergleichbar mit dem Pariser Klimaabkommen. Dabei könnten die international agierenden Unternehmen, die Kunststoffverpackungen produzieren und in den Verkehr bringen, durchaus eine wichtige Rolle spielen. Denn die Grundlage eines solchen Regimes wäre ja eine weltweit geltende Produzentenverantwortung. Sprich: Diejenigen, die Verpackungen in den Verkehr bringen, müssen sich an den Kosten der Entsorgungs- und Verwertungsinfrastruktur beteiligen. In Deutschland nennt sich das Duales
System und ist seit Jahrzehnten selbstverständlich. Sich dieser Verantwortung überall auf der Welt zu stellen, wäre die wirklich notwendige Leistung der global agierenden Wirtschaft.

Wie beurteilen Sie die sektorübergreifenden Netzwerke, die sich zum Kampf gegen Plastikmüll formieren?

Keine Frage: Globale Ziele brauchen gemeinsames Wirken von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Aber das setzt in diesen Kooperationen absolute Verbindlichkeit, klare Zielformulierungen und eine konsequente Wirkungsmessung voraus. Leider erscheinen mir viele der momentanen Netzwerk-Initiativen eher als organisierte Verantwortungslosigkeit.

Ein Beispiel: Die Circular Plastics Alliance, in der praktisch alle relevanten Unternehmen zusammengeschlossen sind, hat 2019 versprochen, gemeinsam den Markt für recycelten Kunststoff in der EU bis zum Jahr 2025 auf 10 Millionen Tonnen zu vergrößern. Klingt toll. Weil aber alle wirtschaftlich handeln wollen, wird man sich auf die am leichtesten verfügbaren Kunststoffe konzentrieren und diese möglicherweise in sinnlosen Anwendungen verarbeiten, nur um ein Massenziel zu erreichen. Höhere Investitionen in Recyclinginfrastrukturen erwarte ich davon nicht.

Was sollten Unternehmen bei einem Engagement für eine verbesserte Kreislaufwirtschaft besonders beachten?

Ernsthaftes Engagement unterscheidet sich von Greenwashing durch die Einbeziehung klar definierter und messbarer ökologischer Kriterien, die in einem klaren und öffentlich bekannten Zeitplan umgesetzt werden.