„Viel hängt am persönlichen Engagement“

Interview mit Dr. Wanida Lewis, Leiterin der Abteilung Programme und strategische Partnerschaften bei Environment360 (Ghana), über Unterstützung des informellen Sektors und Abfallwirtschaft in Ghana.

Was sind die Ziele von Environment360, und wo ist Ihre NGO aktiv?

Wir unterstützen und stärken den informellen Abfallsektor und wollen Environment360 strategisch als die führende Organisation bei der Reduzierung von Plastikabfällen in Ghana platzieren. Bisher sind wir in Accra, Tema und Kumasi tätig und verfolgen den Plan, regional weiter zu expandieren. Schließlich ist Plastikmüll überall ein Problem.

Wie unterstützen und stärken Sie die Abfallsammler mit Ihrer Arbeit?

Wir arbeiten mit über 500 Menschen zusammen, die Papier-, Glas- und Kunststoffabfälle sammeln, die wir ankaufen, recyceln und an andere Partner in Ghana verkaufen. Einige unserer Partner sind zum Beispiel Miniplast, Repatrn und Accra Brewery Limited. Als eine der führenden Organisationen auf diesem Gebiet stellt Environment360 sicher, dass die Abfallsammler für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden und eine Stimme erhalten, weshalb wir sie auch in unser Projektdesign einbeziehen. Darüber hinaus stellen wir ihnen nicht nur notwendiges Equipment zur Verfügung, sondern schulen sie auch in Betriebswirtschaft sowie in der Identifikation von hochwertigen Recyclingmaterialien und im Aufbau von Netzwerken untereinander.

Wie sehen die Abfallwirtschaftsinfrastruktur und das Kunststoffrecycling in Ghana aus?

Die Abfall- und insbesondere die Kunststoffabfallwirtschaft stellt in Ghana eine große Herausforderung dar. Ghana generiert täglich etwa 3.000 Tonnen Kunststoffabfälle, von denen nur zwei Prozent recycelt werden. Infolgedessen gelangt ein Großteil der Abfälle in die Umwelt, was neben einer enormen Umweltbelastung auch große gesundheitliche Risiken birgt. 2014 verfügte Ghana weder über ein öffentliches Abfallmanagementsystem noch über eine Organisation, die sich dem Problem des Plastikmülls annahm. Aus diesem Grund haben wir Environment360 gegründet.

Wer ist, abgesehen vom informellen Sektor, offiziell für die Plastikabfallsammlung zuständig?

Das Ministerium für Umwelt, Wissenschaft, Technologie und Innovation arbeitet beispielsweise an Aktionsplänen zur Bekämpfung der Umweltverschmutzung. Außerdem befassen sich die Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency) sowie einige Länderverwaltungen mit dem Thema. Damit auch Schulen für das Thema Plastikabfall sensibilisiert werden, arbeiten wir mit dem Ghanaer Bildungsdienst zusammen. Es hängt allerdings viel vom persönlichen Engagement und den politischen Prioritäten der lokalen Verwaltungen und Bürgermeister ab.

Mit wem arbeiten Sie auf lokaler und internationaler Ebene zusammen?

Lokal arbeiten wir mit diplomatischen Vertretungen, lokalen Verwaltungen und Gemeinden, Schulen und anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie mit dem privaten Sektor zusammen. Außerdem gehören wir der im Jahr 2019 gegründeten Ghana National Plastic Action Partnership an, die sich für die Unterstützung des informellen Sektors und die Entwicklung eines strategischen Abfallmanagements einsetzt. Auf internationaler Ebene arbeiten wir mit der norwegischen und US-amerikanischen Botschaft, dem Vereinigten Königreich sowie der GIZ zusammen. Letztere ist einer unserer größten Kooperationspartner, mit dem wir unter anderem an der Entwicklung von Sammelsystemen und der Beschleunigung des Bezahlungsprozesses für unsere Abfallsammler arbeiten. Durch uns erfährt die GIZ mehr über Akteure im Bereich der Kunststoffabfallwirtschaft und bringt verschiedene Initiativen auf Konferenzen zusammen. Diese Art der Zusammenarbeit ist für beide Seiten vorteilhaft, da die GIZ Zugang zur lokalen Ebene erhält und wir auf globaler Ebene vernetzt werden.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Kooperationen?

Das sich ständig verändernde Umfeld aus unzähligen einzelnen Initiativen beeinflusst Partnerschaften. Man möchte sicherstellen, dass gegenseitige Erwartungen erfüllt werden und alle die Früchte der Kooperation gleichermaßen ernten können. Dies gilt insbesondere für Partnerschaften mit dem privaten Sektor, bei denen oftmals der wirtschaftliche Profit im Zentrum der Zusammenarbeit steht – ungeachtet von CSR-Abteilungen. Um eine nachhaltige Organisation zu sein, muss man innovativ und fähig sein, sich ständig neue Finanzierungsströme zu erschließen. Das erfordert viel Geduld – aber wir von Environment360 haben uns der Herausforderung angenommen, um die Denkweise der Menschen zu ändern und das Bewusstsein für das Problem der Kunststoffabfälle in Ghana zu schärfen.