Wert(?)stoff Plastik

Interview mit Helmut Schmitz, Leiter Kommunikation und Public Affairs bei Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland GmbH, über Erweiterte Produzentenverantwortung (EPR) und was darüber hinaus nötig ist.

Was ist für Sie Erweiterte Produzentenverantwortung (EPR) in einem Satz?

EPR ist die ganzheitliche Verantwortung desjenigen, der Produkte herstellt und in den Verkehr bringt. Das bedeutet, dass Produzenten für die Verwertung ihrer Produkte verantwortlich sind, wenn diese nach Gebrauch zu Abfall werden, und die durch diese Abfälle entstehenden Kosten und Schäden übernehmen müssen.

Wie kam es zur Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) in Deutschland und darüber hinaus?

Produzenten sind seit jeher für ein einwandfreies Funktionieren und die Sicherheit ihrer Produkte verantwortlich. Anfang der 1990er Jahre erfolgte in Deutschland im Bereich der Verpackungen eine bis dato weltweit einzigartige Erweiterung der Produzentenverantwortung für Produkte auf die Phase nach dem Konsum. Wer eine Verpackung in Umlauf bringt – das heißt der Befüllende – ist für deren Rückholung, Sortierung und Verwertung auch finanziell verantwortlich. Andere EU-Mitgliedstaaten haben dieses wegweisende Prinzip rasch übernommen, indem sie ähnliche Verpackungsgesetze erließen. Um die nationalen Bemühungen zu vereinheitlichen, führte die EU mit der Europäischen Verpackungsrichtlinie 1994 die Erweiterte Produzentenverantwortung für Verpackungen für alle EU-Staaten ein.

In der Theorie trägt ein effektives EPR-System zu den Zielen der Kreislaufwirtschaft bei. Doch wie sieht es in Deutschland und in der EU in der Praxis aus?

Die EU-weiten EPR-Verordnungen üben bereits Druck auf Produzenten aus, ihre Verpackungen im Sinne der Kreislaufwirtschaft vorausschauend und nachhaltig zu entwerfen. Doch obwohl der Wissensstand beziehungsweise das Know-how heute deutlich weiterentwickelt sind, vollzieht sich der Aufbau der Kreislaufwirtschaft vor allem beim Thema Kunststoff sehr schleppend.

Im 2019 novellierten Verpackungsgesetz werden in Deutschland die Dualen Systeme dazu verpflichtet, Lizenzentgelte nach ökologischen Kriterien festzulegen. Je besser ein Stoff zu recyceln ist, desto niedriger fällt das Lizenzentgelt aus. Es liefert Produzenten also zusätzliche ökonomische Anreize, einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft zu leisten.

EPR zielt vor allem auf Akteure ab, die eine Verpackung befüllen. Wie werden aber die Hersteller der Verpackungen in die Pflicht genommen?

Um die Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen, hat auch die EU-Kommission zwei Studien in Auftrag gegeben, in denen Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Verpackungsmarktes gegeben werden: „Gute“ Verpackungen sollen EU-weit günstiger werden, während „schlechte“ Verpackungen teurer werden beziehungsweise keine Zulassung für den Markt mehr erhalten sollen.

Das Grundproblem liegt beim Kunststoff jedoch eine Ebene höher: Kunststoffabfälle haben keinen Wert. Die Rohstoffe für die Erzeugung von Kunststoff sind billig, so dass die Produktion von Primärkunststoff ebenfalls kostengünstig ist. Zeitgleich ist der Markt für Kunststoff stark angebotsgetrieben. Beides zusammen führt zu einem Überangebot an billigem Neuplastik und Lightweight-Plastik. Eine Umkehrung dieses Umstands ist dringend nötig, damit sie in der Kreislaufwirtschaft Verwendung finden. Dazu müsste der Wettbewerbsnachteil, den die Verwendung von Rezyklaten hat, zum Beispiel durch eine Steuer auf Primärkunststoffe ausgeglichen werden. Auch eine verbindliche Mindesteinsatzquote für rezyklierten Kunststoff, der die Nachfrage schürt, ist denkbar.

Wie gestaltet sich EPR im globalen Süden?

Im Gegensatz zu Deutschland und Europa haben Verbraucherinnen und Verbraucher in Ländern des globalen Südens oft keinen Zugang zu einer geordneten Abfallentsorgung, und es gibt keine oder kaum ganzheitliche gesetzliche Vorschriften zur fachgerechten Entsorgung. Folglich kann keine Erfassung von Daten zur Abfallentsorgung erfolgen. Dies behindert wiederum das Rezyklieren der Abfälle. Diese Problematik wird durch den Export von Sekundärrohstoffen aus Industrienationen verstärkt.

Welche konkreten Maßnahmen sind Ihrer Ansicht nach für eine Initiierung und Umsetzung von Erweiterter Produzentenverantwortung in Ländern des globalen Südens nötig?

Zuerst muss eine klare Gesetzgebung zur Abfallwirtschaft erfolgen, die sich auf gute Praxis aus anderen Ländern stützt und individuell angepasst wird. Dazu müssen Abfallunternehmen mit Erfahrung in EPR ihr Wissen öffentlich zugänglich machen. Im zweiten Schritt müssen nicht-recycelbare und darum wertlose Miniverpackungen, zum Beispiel Sachets, verboten werden. Das würde auch der zunehmenden Entwertung des Kunststoffs entgegenwirken.