Apps im Dienst des Recyclings
RecycleMich, ReplacePlastic, My Little Plastic Footprint, EcoNation, ReDo … das Angebot an Apps zur Sensibilisierung von Verbraucherinnen und Verbrauchern ist vielfältig. Manche verfolgen das Ziel, das Bewusstsein für den eigenen Plastik-Fußabdruck zu stärken und Konsumierende für ein besseres Recycling zu gewinnen. Andere wollen ihnen eine starke Stimme auf dem Weg zu mehr Herstellerverantwortung geben.
Spiele und Belohnungen
Mit leicht zugänglichen Informationen und mit Belohnungs- oder Anreizsystemen wollen Anbieter von Verbraucher-Apps Konsumentinnen und Konsumenten dabei unterstützen, über ihr Kauf- und Entsorgungsverhalten einen aktiven Beitrag zu einer verbesserten Kreislaufwirtschaft zu leisten. Die Initiatoren eint dabei die Überzeugung, dass der erhobene Zeigefinger hier nicht zum Erfolg führt. Jedenfalls setzen einige von ihnen auf das Konzept der Gamification, also der Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge mit dem Ziel der Verhaltensänderung und Motivationssteigerung. (1)
So informieren beispielsweise die schweizerische EcoNation-App, die Bower-App aus Schweden, die Reciclos-App aus Spanien oder die RecycleMich-App aus Österreich nicht nur über korrekte Mülltrennung, sondern bieten auch Belohnungen. Nutzer können Produktverpackungen scannen, Punkte sammeln, indem sie recycelbare Materialien richtig entsorgen und die gesammelten Punkte gegen Prämien eintauschen oder spenden.
Mit der App zur richtigen Tonne
Dass auch die vermeintlichen Mülltrennungs- und Recycling-Weltmeister im globalen Norden noch reichlich Lernbedarf haben, ist bekannt. Davon zeugt unter anderem der Anteil der Fehlwürfe in der Getrenntsammlung von aktuell rund 30 Prozent. (2) Um die gelbe Tonne richtig zu benutzen, muss man nicht zwingend wissen, ob es sich bei einer Verpackung um einen biobasierten Kunststoff, um PET oder um einen komplexen Verbundstoff handelt. Aber ein gewisses Grundlagenwissen ist schon hilfreich, wenn über ein bewussteres Verbraucherverhalten reinere Stoffströme und damit ein besseres Recycling erreicht werden sollen.
Die Ergebnisse einer Omnibus-Befragung (2020) kamen zu dem Ergebnis, dass bei rund zwei Dritteln der Deutschen das Detailwissen zur korrekten Müll- und Materialtrennung fehlt. (3) Besonders bei Jugendlichen besteht eine geringere Sensibilisierung im Vergleich zu früheren Generationen, und es zeichnen sich größere Wissenslücken ab. (4) Da liegt es auf der Hand, mit digitalen Informationsangeboten per Smartphone gegenzusteuern.
Mit der App Scrapp, die in den USA und Großbritannien verfügbar ist, können sich Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, in welche lokal spezifische Tonne der jeweilige Verpackungsmüll entsorgt werden muss. Die niederländische App My Little Plastic Footprint unterstützt Konsumenten dabei, ihren Plastic Mass Index, das heißt ihren persönlichen Plastik-Fußabdruck, zu ermitteln und schlägt ihnen auf spielerische Art Maßnahmen vor, um ihre Verbrauchsmenge an Plastik aktiv zu senken.
Die Stimme am Regal
Wer sich am Supermarktregal über unnötige Plastikverpackungen ärgert, soll nicht machtlos bleiben. Das ist das Ziel von ReplacePlastic, einer App, die seit 2018 Verbrauchern hilft, ihren Wunsch nach plastikfreien Verpackungen direkt bei den Unternehmen vorzutragen. „Der Gründungsgedanke unseres Vereins Küste gegen Plastik e.V. war, etwas gegen die großen Mengen an Plastikmüll zu unternehmen, die bei uns an der Nordseeküste angespült werden“, erinnert sich Jennifer Timrott von der ReplacePlastic-Initiative. „Bei unseren Aktionen haben wir schnell festgestellt, dass das Sammeln des Plastikmülls nicht ausreicht und wir an die Produzentenverantwortung heranmüssen.“ Das Resultat ist die ReplacePlastic-App.
Ihre Nutzer scannen das in Kunststoff verpackte Produkt und senden ihr Feedback samt Vorschlägen für alternative, vorrangig Mehrweggeeignete Verpackungsmöglichkeiten an die Betreiber der App. Diese sammeln über einen Zeitraum von einem Monat das Nutzer Feedback und melden es dann als kollektives Anliegen an die Unternehmen, die den Artikel in Verkehr bringen. Voraussetzung für die Weitergabe des konstruktiven Feedbacks ist, dass mindestens 20 Nutzer dieselbe Produktverpackung gescannt haben oder seit dem letzten eingesandten Veränderungswunsch ein Zeitraum von einem Monat vergangen ist.
„Wir möchten den Menschen ermöglichen, ihre Stimme einzubringen, denn langfristig soll der Wandel von der individuellen zur Herstellerverantwortung gelingen“, erklärt Jennifer Timrott. Dies geschehe neben der App auch über Bildungsangebote und Informationskampagnen. „Uns ist es wichtig, Schülerinnen und Schüler mit Wissen um die vielfältigen Dimensionen der Plastikkrise zu sensibilisieren und sie für Mehrweg und plastikfreie Verpackungsoptionen zu begeistern.“
Ein weiteres Angebot, das einen partizipativen Ansatz verfolgt, ist ReDo und bietet Usern demnächst eine partizipative Plattform auf dem Weg zu Plastik-Alternativen. Auf der Online-Plattform können Nutzer nachhaltige Umgestaltungsideen zu existierenden Verpackungen in Form von Steckbriefen einreichen, über die andere User der ReDo-Community interaktiv abstimmen und Vorschläge zur Weiterentwicklung der Idee eingeben können. Am Ende des Prozesses können die Plattformbetreiber zukünftig mit den Alternativvorschlägen für Verpackungsdesigns mit Unternehmen und Herstellern in Kontakt treten.
Wirkung unbekannt, Potenzial unbestritten
Es sind im Wesentlichen zwei verschiedene Ansätze, die an Verbraucher gerichtete digitale Angebote verfolgen: Die einen informieren und sensibilisieren. Die anderen wollen Partizipation ermöglichen und die Macht der Nachfrage nutzen und stärken. Der Unterschied ist grundlegend. Wer Konsumenten zum richtigen Umgang mit Verpackungen animiert, zahlt auf das Recycling ein. Wer gemeinsam mit Verbraucherinnen und Verbrauchern auf die Angebotsseite einwirkt, ist auf der obersten Stufe der Abfallhierarchie unterwegs: der Vermeidung.
In beiden Dimensionen ist derzeit keine lösungsübergreifende Evaluation bekannt, die über die tatsächliche Wirkung Aufschluss gibt. Was bedeuten eine Million gescannte Plastikverpackungen für die tatsächlich recycelten Wertstoffe, und kann damit ein langfristiges Umdenken bei den Verbrauchern und Verbraucherinnen gemessen werden?
Kritisch zu hinterfragen sind außerdem Sachpreise, die zum unerwünschten Nebeneffekt des Mehrkonsums führen können. Unstrittig erscheint, dass mündige Verbraucherinnen und Verbraucher den wesentlichen Teil einer künftigen zirkulären Gesellschaft ausmachen. Und Mündigkeit ist ohne digitale Infrastruktur in keinem Lebensbereich mehr vorstellbar.
Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Der Circularity Code
Fußnoten
(1) Wirtschaftslexikon (o.J.)
(2) Kunststoff Magazin (2022)
(3) Mülltrennung-wirkt (2020), (4)