Die digitale Ressourcenwende braucht eine belastbare ­Infrastruktur

Ob die digitale Transformation im Kampf gegen sozioökologische Krisen hilft oder diese sogar verstärkt und beschleunigt, ist noch nicht ausgemacht. So wie künstliche Intelligenz sowohl eine Gefahr als auch eine Chance für die Wissensgesellschaft sein kann, so kann der digitale Fortschritt auch die Ressourcenwende unterstützen – oder sie massiv behindern.

Die Ambivalenz liegt auf der Hand: Produktivitätssteigerungen durch digitale Technologien verleihen zunächst einmal dem klassischen, wachstumsgetriebenen Wirtschaftsmodell einen zusätzlichen Schub. Ob es gelingt, sie auch zu einem mächtigen Werkzeug auf dem Weg zu einer nachhaltigen Ökonomie zu formen, hängt zum einen von politischen Rahmenbedingungen und zum anderen von der Bereitschaft zur Co-Kreation aller Beteiligten ab.

Nicht umsonst hat das Bundesumweltministerium bereits Anfang 2020 eine umweltpolitische Digitalagenda (1) vorgestellt. In dieser Strategie geht es zwar auch um den Ressourcenverbrauch durch die Digitalisierung selbst. Immerhin wird die Digitalbranche schon bald mehr Treibhausgase emittieren als der gesamte Autoverkehr. Aber die insgesamt 70 vorgeschlagenen Maßnahmen in dem Ministeriumspapier beschäftigen sich ebenso mit den Wechselwirkungen zwischen Technologie, Ökologie und Gesellschaft.

Auch in den Expertengesprächen, die wir für diesen POLYPROBLEM-Report geführt haben, kam eine Kernaussage immer wieder zum Vorschein: Die „gute“ Digitalisierung – jene also, die einen schonenden Umgang mit Ressourcen unterstützt, ist keine Frage der Technologie. Umso mehr geht es um Haltung. Werden Unternehmen bereit sein, Daten miteinander zu teilen, um Produkte entlang der gesamten Wertschöpfungskette umweltfreundlicher zu planen, zu designen, zu produzieren, zu verkaufen und zu recyclen? Wird es möglich sein, dafür auf gemeinsame Daten-Infrastrukturen zurückzugreifen und sich derweil trotzdem im Wettbewerb zu differenzieren?

Technologisch eigentlich kein Problem, sagen die meisten Experten. Wirtschaftlich schon eher, denn es ist noch immer schwer, mit Nachhaltigkeit Geld zu verdienen. Wer also bezahlt und betreibt digitale Infrastrukturen, die nicht auf mehr Produktivität, sondern auf ressourcenschonendes Wirtschaften ausgelegt sind? An dieser Stelle kommt die Politik ins Spiel. Sie kann und sollte Anreize schaffen, auch dort digitale Infrastrukturen für mehr Nachhaltigkeit als ein Gemeingut zu etablieren, wo es noch keine tragfähigen Geschäftsmodelle gibt. Das gilt beispielsweise bei Investitionen in den digitalen Fortschritt im Bereich der Abfallwirtschaft und des Recyclings, aber auch beim Aufbau einer Mehrweg-Kultur als neue Normalität.

Auch die Entwickler und Anbieter digitaler Lösungsansätze sind zu kooperativem Handeln aufgefordert, wenn der technologische Wandel der Ressourcenwende den erhofften Schub geben soll. Es gilt an vielen Stellen, sich auf übergreifende Standards zu einigen, um die zum Teil bemerkenswerten Entwicklungen intelligent miteinander zu verbinden. Eine gemeinsame Architektur anstelle von Insellösungen – diese Forderung tauchte im Verlauf der Recherchen immer wieder auf.

Kein überraschender Befund, wenn man bedenkt, dass Kreislaufwirtschaft nur im Zusammenwirken aller Glieder der Wertschöpfungskette gelingen kann.

 

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Der Circularity Code

 

Fußnoten

(1) BMUV (2023)

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