„Eher Marketing als echte Wirkung“

Jochen Moesslein ist Gründer und Mastermind der Firma Polysecure in Freiburg. Das Unternehmen entwickelt Technologien, mit denen sich Kunststoffe und andere Materialien unsichtbar markieren lassen. Am bekanntesten sind die fluoreszierenden Marker. Kombiniert mit der passenden und ebenfalls von Polysecure entwickelten Sortiertechnik lassen sich Material- und Abfallströme optimieren. Für Unternehmen dienen die Marker aber auch dazu, die eigenen Produkte zu kennzeichnen und somit nachverfolgbar zu gestalten.

In seiner Branche gilt Jochen Moesslein als engagierter Streiter. Das High-Tech-Unternehmen setzt Digitalisierung als ein Teil der Lösung ein. Nach eigenem Bekunden löst Digitalisierung aber lange nicht alle Herausforderungen der Kreislaufwirtschaft.

Herr Moesslein, welches sind aktuell die größten Herausforderungen in der Digitalisierung des Recyclingsektors?

Digitalisierung ist ein überschätztes Wort. Die technischen Herausforderungen im Recycling haben wenig mit Digitalisierung zu tun. Wichtig für die Kreislaufwirtschaft sind Erkennungsprozesse, Sortierung und Aufbereitung – und in keinem davon spielt Digitalisierung eine Rolle. Es geht darum, dass ich Materialien in zehn Millisekunden sicher differenzieren kann: zum Beispiel Lebensmittelkontaktmaterialien von Nicht-Lebensmittelkontaktmaterialien.

Materialbrocken, da kann man das Material mittels Objekterkennung und künstlicher Intelligenz gar nicht erkennen. Man braucht ein physikalisches Verfahren, mit dem man die Zusammensetzung direkt und schnell messen kann.

Bösartig könnte man sagen: Der digitale Hype hat in unserem Bereich eher einen Einfluss aufs Marketing als auf die tatsächliche Wirkung. Manchmal habe ich sogar den Eindruck, dass die unrealistischen Hoffnungen, die mit Digitalisierung verknüpft werden, Investitionen in anderen wichtigen Technologiebereichen verzögern.

Seit 2009 entwickeln Sie Marker-Materialien und Detektions-Technologien. Mit welcher Motivation haben Sie Polysecure gegründet?

Die Initialzündung war es schon, Materialien intelligenter zu machen. Kunststoffe, Keramik, Papier … das ist einfach ein riesiger Strom, den wir ja auch als Verbraucher in Form der gelben Tonne kennen. Mich hat einfach die Frage bewegt, wie man aus dem Chaos wieder vernünftiges Material machen kann.

Wie wird sich der Markt in Zukunft entwickeln?

Viele Unternehmen sehen mittlerweile den Wert von Sekundärrohstoffen. Momentan fließt viel Geld in die Produktpass-Datenbanken. Mindestens genauso wichtig wäre, mehr Geld in die eigentliche Erkennungstechnologie zu stecken. Da ist nämlich der Engpass. Was nützt eine Datenbank, wenn ich einen Eintrag nicht sicher mit der dazugehörenden Datenbank verknüpfen Demosortieranlage für technische Kunststoffe kann. Ich sehe gute Chancen für unsere TrackByStars®- Technologie. Sie kann der wichtige „Unique Identifier“ sein. Das ist das Fachwort für diese Technologie, die jedes Objekt individuell kennzeichnet.

400 Millionen Tonnen Kunststoff werden jedes Jahr verarbeitet. Etwa die Hälfte wird sortiert, die andere landet im Abfall. Wenn wir bereit sind, 100 bis 200 Euro pro Tonne für die Sortierung zu zahlen, sind wir bei einem Volumen von 20 Milliarden und mehr. Der Markt ist also vorhanden.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Der Circularity Code

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