Mit den Konzernen Hand in Hand

Um höhere Sammel- und Recyclingquoten im Kunststoff-Bereich zu erzielen, hat sich die RecycleMich-Initiative mit Markenherstellern von Kunststoffverpackungen zusammengetan und sich erfolgreich in Österreich etabliert.

Initiator Stefan Siegl über die österreichische App RecycleMich:

Was ist die Mission von RecycleMich, und auf Grundlage welcher Problemanalyse sind die Initiative und die App ins Leben gerufen worden?

Unsere Mission ist es, Wertstoffe im Materialkreislauf zu halten. Wir tragen mit der RecycleMich-App dazu bei, indem wir ein Anreizsystem für Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Markt gebracht haben, das Digitalisierung mit Bewusstseinsbildung und Aufklärungsarbeit verbindet. Der Ursprungsgedanke liegt darin, dass die gewünschten Sammel- und Recyclingquoten in Österreich nicht erreicht werden. Zum Beispiel beträgt im Kunststoff-Bereich die Sammelquote nur 70 Prozent, speziell in urbanen Gebieten, wie in Wien, nur 30 Prozent. Konsumenten dazu zu bewegen, ihren anfallenden Müll korrekt zu sammeln und zu sortieren, war uns hierzu ein wichtiges Anliegen.

Welche Akteure waren bei der Entwicklung der App involviert, und wie finanziert sich die App?
Schon bevor RecycleMich Anfang 2021 in Österreich auf den Markt kam, haben wir eng mit führenden Markenherstellern aus dem Getränkebereich zusammengearbeitet. Auch Konsumentenumfragen wurden im agilen Entwicklungsprozess mit einbezogen. Der Pilotversuch der ersten digitalen Recycling-Initiative fand schließlich in Wien statt, weil dort die größte Herausforderung in der korrekten Müllsortierung besteht. Im Verlauf hat sich die Initiative zu einer offenen Plattform für alle Akteure der Kreislaufwirtschaft entwickelt, die User, Markenhersteller, Recycler, Städte und Gemeinden miteinschließt. Im Fokus stehen alle Produkte, deren Verpackungen im gelben Sack entsorgt werden.

Monatliche Beiträge der Markenhersteller sowie Beiträge von Reclay Systems, einem führenden Rücknahmesystem für Verpackungen, finanzieren aktuell die Anreize und Preise, den Betrieb der App und das Marketing. Im Gegenzug besteht die Möglichkeit, dass die Kooperationspartner die Tätigkeiten im Rahmen der Initiative in ihren Nachhaltigkeitsbericht oder jegliche Nachhaltigkeitsagenden aufnehmen und von unterschiedlichen Leistungspaketen profitieren. Für die Zusammenarbeit mit den Herstellern begrüßen wir, wenn diese eine Nachhaltigkeitsstrategie haben. Im Laufe der Zeit haben wir die Möglichkeiten einer Kooperation erweitert, zusätzlich zum Partner kann man auch Unterstützer werden und zum Beispiel als Gewinnspiel-Partner Prämien sponsern. RecycleMich hat deshalb sowohl einige Supporter, die Produkte sponsern, als auch einige, die Mitgliedsgebühren zahlen.
Damit schaffen wir ein niedrigschwelliges Angebot einer Zusammenarbeit, die unsere Mission unterstützt.

Wie werden potenzielle Nutzer und Nutzerinnen auf die App aufmerksam, und welche Zielgruppe spricht die App mehrheitlich an?

Zunächst haben wir die Marketingmaßnahmen breit aufgestellt, in ganz Wien über klassische Medien wie Zeitung und Radio. Doch erst die spezifische Werbung auf Online-Kanälen, im App Store und auf Social-Media-Kanälen hat zum Erfolg geführt. Die anfängliche Zielgruppe lag bei den 18- bis 24 Jährigen, hat sich allerdings schnell zur jetzigen Hauptzielgruppe der 24- bis 34-Jährigen entwickelt. 35- bis 44-Jährige stellen die zweitgrößte Zielgruppe dar, darunter vor allem junge Familien. Das Schlusslicht bilden die unter 25-Jährigen und über 44-Jährigen.

Wir unterscheiden in zwei Gruppen: erstens die Idealisten, die aus Überzeugung für den Umwelt- und Ressourcenschutz ihre Recycling-Leistung visualisieren möchten, und zweitens die Gewinn-Orientierten, die sich von den preislichen Anreizen der App leiten lassen. Um ein möglichst breites Zielgruppenspektrum zu erreichen, bieten wir zudem öffentliche Bildungsangebote im Bereich des Recyclings an. Insbesondere Gamification ist dabei ein Schlüsselelement, zum Beispiel in Form von Sondergewinnspielen.

Welche Daten werden von den Nutzern und Nutzerinnen der App erhoben, und inwieweit werden diese weiterverarbeitet?

Beim Betrieb der App sammeln wir basierend auf der Datenschutzerklärung nur das Minimum an Daten der User, das dem Zweck dient, die Wertstoffe korrekt zu recyceln und Punkte zu sammeln: E-Mail-Adresse und Passwort. Daten wie Adresse und Alter sind anschließend
notwendig für die Auslosung. Darüber hinaus lässt sich auf der Grundlage der gescannten Produktcodes erkennen, welche Produkt-Marken aus welcher Kategorie, wie oft, wo und wann gekauft, gescannt und entsorgt werden. Aus den gesammelten Daten können wir Tendenzen erkennen, zum Beispiel, dass viel am Wochenende gesammelt wird.

Besonders der Entsorgungsort ist ein wichtiger Faktor, da dieser Einfluss auf Informationen über sinnvoll aufgestellte Recycling-Tonnen in der App anzeigen kann, die sich in ihrer Farbe von Bundesland zu Bundesland in Österreich unterscheiden. Wir arbeiten sehr eng mit den Kommunen zusammen.

Wie viel Kunststoff wird pro Jahr durch die App dem Wertstoffkreislauf zugeführt?

In Bezug auf die Gesamt-Reichweite der App haben wir schnell Erfolge erzielt: Das ursprüngliche Ziel, bis Ende des Jahres 2021 100.000 Scans zu erreichen, war schon nach zwei Monaten geglückt. Beim zweijährigen Jubiläum haben wir über eine Million gescannte oder korrekt entsorgte Verpackungen über die App gefeiert. Die Gewichtung nach Punktezahl in Form von Bonuspunkten beim Recycling kann Akzente für das Recycling bestimmter Produktgruppen setzen. Beispielsweise werden mehr Bonuspunkte für das Scannen von Partner-Verpackungen vergeben und weniger für Nicht-Partner-Verpackungen. In Umfragen zeigt sich, dass die Nutzer der App vorwiegend beim Kauf zu Produkten greifen, für die es mehr Punkte gibt.

Mit Blick auf das bevorstehende Pfandsystem in Österreich ab 2025, wie flexibel wird die App perspektivisch auf Veränderungen reagieren können?

Von allen Verpackungen, die in Verkehr gebracht werden, sind nur 25 Prozent vom Pfandsystem abgedeckt. Unsere App wird also keinesfalls überflüssig. Unsere App könnte außerdem unterstützend zur Erhöhung der Pfandquoten wirken. Auch können wir das Feedback der Nutzer über unsere unterschiedlichen Kommunikationskanäle aufnehmen, und die Nutzer können neue Produkte melden, die noch nicht in der Datenbank vorhanden sind. Dazu kommt, dass wir aufgrund der einfachen Programmierbarkeit schnell Anpassungen der App-Merkmale vornehmen können. Perspektivisch werden wir in der App zudem noch ein Augenmerk auf eine erweiterte Bereitstellung von Information legen, evtl. speziell zur Recyclingfähigkeit von Produkten.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Der Circularity Code

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