„Kein Erdöl, kein Kunststoff?“

Ein Kommentar von Dr. Isabell Schmidt, Geschäftsführerin der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.

Bei den Fridays for Future-Demonstrationen für mehr Klimaschutz halten manche Schüler auch Schilder mit „No Plastics“ in die Höhe. Verständlich, werden doch Kunststoffe vorwiegend aus Erdöl hergestellt. Sie versinnbildlichen geradezu das Erdölzeitalter, welches für den menschengemachten Klimawandel hauptverantwortlich ist. Sollten wir Kunststoffprodukte also verbieten? Ich meine nein.

Wer die Nutzung von bestimmten Kunststoffprodukten per Gesetz oder Verordnung untersagt, betreibt Symbolpolitik und verstellt den Blick auf die tatsächliche Herausforderung. Die Prioritäten geraten durcheinander, und das ist nicht ungefährlich. Ob energieeffizientes Bauen, E-Mobilität oder der Schutz von Lebensmitteln – Kunststoffe liefern die Werkstoffe, die unsere Gesellschaft heute und in Zukunft braucht.

Heute schon tragen Kunststoffe stark zur Ressourcen- und Energieeffizienz bei und sparen während ihrer Nutzung oft mehr Ressourcen ein, als für ihre Herstellung gebraucht wird. Aufgrund ihrer hohen Materialeffizienz und ihres geringen Gewichts sind sie oft sogar klimafreundlicher als andere Materialien. So wiegt beispielsweise das Glas einer 100 Gramm-Packung Oliven leer schon über 100 Gramm, ein Standbodenbeutel aus Kunststoff für dieselbe Menge Oliven gerade einmal 5 Gramm. Der hohe Energiebedarf für die Herstellung und den Transport des Glases sorgt für einen vierfach höheren Treibhausgas-Fußabdruck gegenüber der Verpackung aus Kunststoff.

Zugegeben: Das reicht auf Dauer nicht aus. Der Wandel zur Klimaneutralität erfordert große Veränderungen in der Art, wie wir Kunststoffprodukte in Zukunft herstellen, nutzen und verwerten. Die Rohstoffwende ist die kleine Schwester der Energiewende. Erdöl muss als Rohstoff schrittweise durch erneuerbare Kohlenstoffquellen ersetzt werden, allen voran durch das Recycling, welches heute etwa 14 Prozent des Kunststoffbedarfs in Deutschland deckt. Auch die Nutzung von Biomasse spielt eine wichtige Rolle. Last not least wird auch CO2 als Rohstoff für die petrochemische Industrie in Zukunft genutzt werden, unter der Voraussetzung, dass der Energiebedarf aus regenerativen Energien gedeckt werden kann.

Ein wirkungsvolles regulatorisches Mittel, um diesen Wandel zu beschleunigen, wäre eine strikte Begrenzung und Bepreisung der CO2-Emissionen und eine stufenweise – durchaus auch gesetzlich festgelegte – Substitution fossiler Rohstoffe in der EU, in Verbindung mit Grenzausgleichs-Mechanismen zum Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Symbolpolitik, die das vermeintlich böse Plastik mit Steuern belegen, reduzieren oder gleich ganz verbieten will, nützt dagegen wenig, denn sie führt nur zu ungewollten Verlagerungen. So kritisieren Umweltverbände zu Recht den Anstieg von Papiertüten infolge des Plastiktütenverbots in Deutschland. Die Zukunft braucht kein Erdöl, aber sie braucht nachhaltig hergestellte und genutzte Kunststoffprodukte.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Strafsache Strohhalm