„Einwegplastikverbote allein greifen zu kurz“
Ein Kommentar von Katharina Istel, Referentin Ressourcenpolitik, NABU (Naturschutzbund Deutschland) e.V.
Für die Umweltszene war es erstaunlich: In kürzester Zeit wurden in der EU verschiedene Einwegplastikprodukte verboten. Für die überzogene Darstellung in den Medien als „Plastikverbot“, „Einwegplastikverbot“ oder „Verbot von Plastikgeschirr“ kann der Gesetzgeber nichts, aber vielleicht war es ihm gar nicht so unrecht: Da kümmert sich jemand und greift die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger auf, die beim Stichwort Plastik inzwischen vor allem Strohhalme in Schildkröten vor Augen haben.
Nun ist der Regelungsumfang des Verbots eher überschaubar, aber die Einwegkunststoff-Richtlinie hat bewiesen: Verbote sind durchsetzbar, und es kann auch sehr schnell gehen, wenn es nur gewollt wird. Für einen Umwelt- und Naturschutzverband ist das eine gute Nachricht, auch wir fordern vom Gesetzgeber, angesichts immer weiter steigender Abfallberge und zunehmender Vermüllung der Natur auch vor Verboten nicht zurückzuschrecken.
Allerdings dürfen aus ökologischer Perspektive Verbote nicht zu Ausweichbewegungen führen. Das Paradebeispiel ist hierfür die Plastiktüte, wo wir statistisch zu wenig über solche Gegenentwicklungen wissen: Das Bauchgefühl sagt, mit dem Kampf gegen die Plastiktüte kam das Revival der Papiertüte. Da dazu jedoch keine Daten veröffentlicht werden, ist nicht geklärt, ob der Rückgang des Verbrauchs an Plastiktüten auch tatsächlich zu weniger Umweltlasten geführt hat. Da die Variante aus Papier gesamtökologisch noch viel schlechter abschneidet als die aus Plastik, hat der NABU – leider erfolglos – gefordert, nicht nur die Plastiktüte zu verbieten, sondern auch die Papiertüten zu monitoren und Reduktionsmaßnahmen einzuleiten.
Kunststoff hat viele Einwegprodukte erst ermöglicht oder preislich interessant gemacht. So haben wir durchaus ein Kunststoff-Einwegproblem, aus dem wir aber nun kein Papier-Einwegproblem machen dürfen. Die Herstellung von Papier ist sehr wasser- und energieintensiv, benötigt extrem viele Chemikalien und trägt zur Nährstoffbelastung von Gewässern bei. Letztlich hat Papier zu Unrecht ein sehr gutes „Öko-Image“. Abgesehen davon: Nicht nur fossile Rohstoffe, sondern auch jahrzehntelang gewachsenes Holz muss für langlebige Produkte genutzt werden und nicht für Einwegprodukte.
Um Ausweichmanöver auf andere Einwegmaterialien abzuwenden, brauchen wir neben einzelnen Einwegverboten auch Mehrweg-Gebote. Der NABU begrüßt daher das neue, im Verpackungsgesetz verankerte Mehrweggebot ab 2023, kritisiert aber, dass sehr viele Verkaufsstellen von der neuen Mehrwegpflicht ausgenommen sind. Auch sollte die Mehrwegvariante günstiger angeboten werden müssen als Einweg. Das Verbot des Kunststofftellers oder der EPS-Burgerverpackung bedeutet nicht automatisch die Umstellung auf umweltfreundliches Mehrweg. Hierzu müssen EU und Bundesregierung sehr viel beherzter an die Sache herangehen als bisher und alle Einwegmaterialien in den Blick nehmen statt nur Plastik.
Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Strafsache Strohhalm