„Ich glaube, das Momentum ist da!“

Dipesh Pabari, Projektleiter und Mitgründer von Flipflopi Project, berichtet im POLYPROBLEM-Interview von den Hürden und Erfolgen der politischen Interessensvertretung und Bildungsarbeit, die seine Organisation in Kenia betreibt.

Was sind die Ziele von Flipflopi und wo ist Ihre Organisation tätig?

Im Wesentlichen sind wir eine Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Einwegplastik langfristig abzuschaffen. In unserer Arbeit verfolgen wir einen systemischen Ansatz. Das bedeutet, dass wir Innovationen fördern und umsetzen, aber auch Aufklärungs- und Bildungsarbeit leisten.

Wir sind eine in Afrika ansässige Organisation, die überwiegend auf freiwilliger Basis arbeitet. Wir sind hauptsächlich in Kenia tätig, aber unsere Arbeit erstreckt sich auf die gesamte Region Ostafrika. Das ist wichtig, denn wir sind der festen Überzeugung, dass wir die Plastikverschmutzung nicht allein auf nationaler Ebene bekämpfen können.

Könnten Sie erläutern, warum Sie glauben, dass die Arbeit über nationale Grenzen hinweg von entscheidender Bedeutung ist und wie Sie dies in Ihre Arbeit einbeziehen?

Die Tatsache, dass wir über den Indischen Ozean und den Viktoriasee hinweg Gewässer mit so vielen verschiedenen Ländern teilen, zeigt, dass wir dieses Problem nicht allein bewältigen können. Unser regionaler Ansatz folgt einem ähnlichen Modell wie das der EU, die mit ihrer Richtlinie über Einwegplastik bestimmte Plastikartikel in allen Mitgliedsstaaten aus dem Verkehr zieht. Wir glauben, dass ein ähnliches Prinzip in der gesamten Ostafrikanischen Gemeinschaft funktionieren könnte, wenn wir in der Lage sind, die bereits vorhandenen Policy-Instrumente zu nutzen. Ich glaube, das Momentum ist da! Die Tatsache, dass wir das Problem der Plastikverschmutzung gemeinsam angehen müssen, ist bei den Entscheidungstragenden in der Region angekommen.

Allerdings sind die Länder der Region sehr unterschiedlich. Ruanda und Kenia zum Beispiel sind dienstleistungsorientierte Volkswirtschaften mit einer starken Abhängigkeit vom Tourismus. Forschungsergebnissen zufolge haben sie einen stärkeren Anreiz, sich für ein Ende der Plastikverschmutzung einzusetzen. Dies könnte zum Teil erklären, warum Ruanda und Kenia an der Spitze der Bewegung stehen und Tansania nachgezogen hat, während es für eher industriebasierte Volkswirtschaften wie Uganda schwieriger ist, politische Veränderungen umzusetzen.

Was genau tut Flipflopi Project, um den politischen Wandel auf regionaler Ebene voranzutreiben?

Gemeinsam mit einer führenden Anwaltskanzlei haben wir einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der das Verbot verschiedener Einwegplastikprodukte vorsieht. Bei den ausgewählten Produkten haben wir uns an der Liste der EU orientiert. Unser großes Ziel ist es aber, Einwegplastik ein Ende zu setzen. Deshalb halte ich es für entscheidend, dass wir unser Konsumverhalten ständig hinterfragen. Müssen Gurken wirklich einzeln in Plastik verpackt sein? Aber irgendwo muss man ja anfangen, und ich halte Einwegplastik-Wattestäbchen oder Luftballons für völlig unnötig. Die Menschheit wird zum Beispiel auch ohne Plastiktüten gut überleben.

Wie ist der aktuelle Stand des von Ihnen ausgearbeiteten Gesetzentwurfs?

Wir sind gerade dabei, Lobbyarbeit für unseren Gesetzesentwurf zu machen. Das bedeutet, dass wir versuchen, Unterschriften dafür zu sammeln. Aber vor allem wenden wir uns an Regierungen und politische Entscheidungsträger. Letztendlich sind sie es, die den Gesetzentwurf durchbringen müssen. Aber diese Prozesse sind schwierig. An einem Tag findet ein Politiker das Thema sehr wichtig und am nächsten steht dann schon wieder ein anderes – vermeintlich noch wichtigeres – Thema auf der Tagesordnung. Im Moment geht es also darum, so viele Entscheidungsträger wie möglich ins Boot zu holen. Dazu arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen. Einerseits bieten wir den Gesetzentwurf jenen Counties (Gebietskörperschaften) an, bei denen wir auf großes Interesse gestoßen sind. Andererseits wenden wir uns an Parlamentarier in der gesamten Region. Unser Hauptziel ist es, den Gesetzentwurf auf der Ebene der Ostafrikanischen Gemeinschaft vorzulegen. Dazu brauchen wir Abgeordnete aus der gesamten Region auf unserer Seite, die den Gesetzentwurf dann in der parlamentarischen Sitzung einbringen können. Wir hoffen, dass wir dies in den nächsten sechs bis acht Monaten erreichen können.

Um auf Flipflopi Project als Organisation zurückzukommen: Ihre Organisation hat viel öffentliche Aufmerksamkeit erhalten, z. B. von der UNO, und Sie haben auch sehr renommierte Mitglieder in Ihrem Beirat, wie Prof. Judi Wakhungu. Was, glauben Sie, macht Ihre Arbeit so erfolgreich?

Ich denke, neben der Leidenschaft und dem Enthusiasmus, den unsere Freiwilligen in ihre Arbeit stecken, hat es viel mit der Tatsache zu tun, dass wir eine afrikanische Organisation sind, die den regionalen Kontext wirklich versteht und aktiv auf dessen Erbe aufbaut. Als wir zum Beispiel das weltweit erste Segelboot aus Plastikmüll für unsere Aufklärungsexpeditionen in der Region gebaut haben, haben wir nicht irgendein Segelboot gebaut, sondern eine Dhau. Dhaus sind traditionelle Segelboote, die sich in ihrer Struktur in den letzten 2.000 Jahren nicht verändert haben und deswegen ein Symbol für das regionale Kulturerbe sind. Das zeigt, dass wir bei der Bewältigung des Plastikproblems keine neue Identität schaffen müssen, sondern auf etwas aufbauen können. Wir arbeiten auch mit Musikstars und anderen aufstrebenden Künstlern zusammen und versuchen, sie in die vorderste Reihe unserer Bewegung zu bringen. Wir müssen stolz darauf sein, dass der Begriff Kreislaufwirtschaft vielleicht neu ist, aber das Konzept ist es nicht: Traditionelle afrikanische Gesellschaften praktizieren diese schon seit Tausenden von Jahren.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Strafsache Strohhalm