„Wir wollen echte Alternativen anbieten“
Pia Schnück ist Division Manager Sustainability bei der REWE Group und erzählt in diesem POLYPROBLEM-Interview von den Herausforderungen und Prozessen der Plastikreduktion im Einzelhandel.
Als Einzelhändlerin ist die REWE Group unmittelbar von der Einwegkunststoffverbotsverordnung betroffen. Welche Wellen schlägt das in Ihrem Unternehmen?
Grundsätzlich haben solche Verbote natürlich weitreichende Auswirkungen bei Unternehmen, wie wir es sind. Wir sind ein großer Konzern mit einem sehr breiten Sortiment. Es gibt also kaum eine Vorgabe der neuen Verbotsverordnung, von der wir nicht betroffen wären. Dadurch entsteht ein erheblicher Aufwand.
Wie genau läuft das ab?
Bei der REWE Group arbeiten wir interdisziplinär zusammen. Bei uns gibt es einen Arbeitskreis Verpackungen, der unser Engagement für umweltfreundlichere Verpackungen bündelt. Neben dem Nachhaltigkeitsbereich sind Kollegen aus den operativen Einkaufsbereichen, die für die Gestaltung unserer Sortimente verantwortlich sind, aber auch weitere Bereiche dabei.
Bei solchen regulativen Entwicklungen mit Auswirkungen auf unsere Sortimente, werden Fragestellungen frühzeitig mit Kollegen von Public Affairs und unseren Juristen diskutiert. Oft stellen sich zunächst viele konkrete Fragen, was den Geltungsbereich von Verboten und die konkrete Konsequenz auf unsere Sortimente betrifft. Diesen gehen wir dann auf den Grund. Im Fall von Strohhalmen ist das noch recht einfach, weil der Einkäufer von Strohhalmen dann schon weiß, dass er betroffen ist. Aber wenn zum Beispiel oxo-abbaubare Kunststoffe ins Spiel kommen, oder die Regulierung einen bestimmten Polystyrol-Hartschaum betrifft, einen anderen aber nicht, dann bedarf es mehr Übersetzungsarbeit. Denn es ist dann eben nicht so einfach zu identifizieren, welche konkreten Artikel betroffen sind und welche Alternativen wir unseren Kunden anbieten können. Es kann dann schon mal einige Wochen bis Monate dauern. Zumal die Arbeit eigentlich erst dann beginnt, da Gespräche mit den Lieferanten geführt und Alternativen gefunden werden müssen.
Wie können wir uns die operative Umsetzung und Gespräche mit den Lieferanten vorstellen?
Die Gespräche mit den Lieferanten werden von unseren Einkäufern geführt. Unser Arbeitskreis Verpackungen gibt dem Einkauf Leitlinien an die Hand. Ganz klar definierte Anforderungen sind an dieser Stelle sehr wichtig, weil das Thema Verpackungen sehr komplex ist. Bei gesetzlichen Anforderungen, wie beispielsweise dem Verbot von expandiertem Polystyrol (EPS) im Lebensmittelbereich, gestaltet sich das noch relativ einfach. Aber wir als REWE Group haben auch Nachhaltigkeitsanforderungen an Verpackungen, die über Regulierungen hinausgehen. Da wird es dann spannend.
Beim Thema Strohhalme war die REWE Group sogar schneller als das Verbot und hat das Produkt bereits ab 2019 aus den Regalen genommen. Warum genau dieses Produkt?
Wir überprüfen laufend unsere Sortimente und Verpackungen. Bei dieser Entscheidung kam vieles zusammen. Ökologisch sind Plastikstrohhalme einfach eine Katastrophe. Sie werden nur wenige Minuten genutzt und dann weggeworfen. Leider oftmals in die Umwelt. Dort benötigen sie Hunderte von Jahren, um sich abzubauen. Das ist ein Problem, das wir lösen wollten. Hinzu kam, dass sowohl unsere Kunden wie auch die Politik solchen Einweg-Plastikartikeln zunehmend kritisch gegenüberstehen.
Daher haben wir seit Anfang 2019 Mehrweg-Trinkhalme und eine Alternative aus FSC zertifiziertem Papier ins Sortiment genommen und den Plastikstrohhalm ausgelistet. Natürlich ist es auch ein bedeutendes Signal zu sagen: Wir nehmen das aus dem Sortiment. Das gilt vor allem für sichtbare Artikel, wie Strohhalm oder Tragetasche. Wichtig ist mir, dass wir nicht nur nach anderen Materialien suchen, sondern zunehmend echte Alternativen zu klassischen Wegwerfartikeln anbieten, z. B. durch Mehrweg-Artikel.
Alternativprodukte stehen ja oft in der Kritik mit Blick auf ihre Ökobilanz, nicht wirklich besser als Plastik abzuschneiden. Was ist hier Ihre Meinung?
Wenn man nur das Material eines Einweg-Artikels ändert, kann es durchaus so sein, dass bestimmte Alternativprodukte nicht per se mit einer besseren Ökobilanz punkten können. Gleichwohl betrachte ich den Einsatz von Alternativprodukten auch als Brückentechnologie. Denn es geht auch darum, bei unseren Kunden und Lieferanten Sensibilität dafür zu schaffen, dass wir mit unserer Wegwerf-Einweg-Kultur ein Problem haben. Der Papierstrohhalm oder andere Alternativprodukte sind sicher nicht immer das Nonplusultra, aber sie schaffen Raum für ein Umdenken und Sensibilisieren für das Thema Nachhaltigkeit. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Vor drei oder vier Jahren kam es eher selten vor, dass Lieferanten nachhaltige Material- oder Verpackungslösungen an uns herangetragen haben. Das hat sich geändert. Wir erleben immer öfter, dass Lieferanten zu uns kommen und sagen: „Wir haben hier einen ökologisch besseren Artikel bzw. eine bessere Verpackung!“ Auch dazu kann dieser Prozess einen Beitrag leisten.
Wie gestaltet sich denn die Suche nach Alternativprodukten? Wie lange dauert es, bis ein Alternativprodukt dann im Regal steht?
Das kann man nicht so pauschal beantworten. Es kann sein, dass ein Lieferant mit einer wirklich guten Lösung zu uns kommt, dann kann so was ziemlich schnell gehen. Das hängt aber auch vom Produkt ab. Nehmen wir den Gemüsebereich – dort haben wir viele „Schnelldreher“ –, da kann eine Verpackung recht zügig ausgetauscht werden. Das ist bei Konserven, unter anderem aufgrund des längeren Haltbarkeitsrahmens, anders. Wir beurteilen dann zudem die Verpackungslösungen nach ökobilanziellen Faktoren sowie der Recyclingfähigkeit, und schauen uns genau an, ob die Idee wirklich besser abschneidet. Hier kann es gut sein, dass wir den Lieferanten noch mal bitten, nachzuschärfen. Das dauert auch gern mal etwas länger. Von drei Monaten bis zu zwei Jahren ist alles möglich. Im Gegensatz zu Materialalternativen ist die Umstellung von Einweg auf Mehrwegalternativen leider oft deutlich komplizierter. In meinem Bereich haben wir ein paar solcher Projekte, bei denen man daher eher von Co-Development sprechen muss und eine Umstellung gerne auch ein bis zwei Jahre Vorlauf erfordert.
Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie bewerten Sie denn die EU-Einwegplastik-Richtlinie insgesamt beziehungsweise speziell die neue Einwegkunststoffverbotsverordnung?
Meiner Meinung nach stellt die EU-Einwegplastik- Richtlinie sehr stark auf das Thema Vermüllung ab. Das ist sicher global ein Riesenproblem, aber in Deutschland nicht unser größtes. Außerdem sind Produkte wie der To-go Kaffeebecher vom Verbot nicht betroffen, sondern zunächst nur von der Kennzeichnungspflicht. Mir leuchtet zudem nicht ein, wieso man expandierten Polystyrol-Hartschaum als Einweg-Verpackung verbietet, extrudierten aber nicht. Ich finde aber zum Beispiel, dass der neue Paragraf 33 im Verpackungsgesetz, der die preisgleiche Mehrwegpflicht vorsieht, tatsächlich Wirksamkeit entfalten kann.
Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Strafsache Strohhalm