Als Hersteller wirklich etwas bewegen

Interview mit Dorothea Wiplinger, vom Projekt STOP der Borealis AG, über nachhaltiges Abfallmanagement und unternehmerische Initiative für eine bessere Kreislaufwirtschaft – ein Beispiel aus Indonesien.

Über die Borealis AG

Die Borealis AG mit Sitz in Wien zählt zu den weltweit führenden Unternehmen der Petrochemie und als einer der größten Hersteller von Polyolefinen. Das Unternehmen beschäftigt rund 6.900 Menschen. Dorothea Wiplinger verantwortet unter anderem die CSR-Strategie des Unternehmens. Sie hat das Project STOP ins Leben gerufen, das in Indonesien Kommunen beim Aufbau eines finanzierbaren Abfallmanagements unterstützt.

Warum haben Sie mit Project STOP eine neue Initiative in Indonesien gestartet? Was trieb Sie dabei an?

Borealis beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Transformation der Kunststoffindustrie zu einer echten Kreislaufwirtschaft. Als großer Hersteller von Rohstoffen für die Kunststoffproduktion streben wir dabei eine führende Rolle an und investieren entsprechend. So haben wir mittlerweile schon zwei Recycling-Unternehmen, eines in Deutschland und eines in Österreich, gekauft. Klar ist aber auch: Wenn wir der Meeresvermüllung entschlossen begegnen wollen, müssen wir das Problem auch dort angehen, von wo der Hauptanteil des Eintrags in die Ozeane herkommt: aus Asien. 2016 begann ich mit Recherchen nach geeigneten Projekten, die wir unterstützen könnten. Damals fand ich aber nichts, was unseren Vorstellungen und Kriterien entsprach. Daher haben wir selbst die Initiative ergriffen und Project STOP ins Leben gerufen.

Woran fehlte es?

Wir waren überzeugt, dass ein nachhaltiger Beitrag nur darin besteht, einen systemischen Wandel zu bewirken. Nur einen Teilbereich des Problems isoliert vom ganzen System zu behandeln, also zum Beispiel nur das Thema Abfallsammlung, Strandsäuberung oder nur die Verbraucheraufklärung, verändert das System als solches nicht. Um Abfallmanagementsysteme unter schwierigen Bedingungen aufzubauen, muss man auf allen Ebenen und mehr oder weniger parallel intervenieren: auf politischer und regulativer Ebene, bei der nachhaltigen Finanzierung, bei der Technologie, bei der Aufklärung der Menschen, bei der Stimulierung der Marktnachfrage
nach Recyclaten. Eine solche ganzheitliche Herangehensweise fanden wir damals nirgends.

Dafür gibt es doch schon lange sektorenübergreifende Netzwerke und Allianzen…

Offen gesagt: Wir waren an einem Punkt angelangt, an dem wir nicht mehr länger an runden Tischen und Konferenzen über das Problem diskutieren oder akademische Analysen machen wollten. Wir wollten nicht mehr nur reden, sondern auch etwas bewegen. Es erschien uns daher der Ansatz, bei dem wir die Initiative ergreifen und mit einigen wenigen Partnern umsetzen, als der effektivste.

Auf welchen konzeptionellen Überlegungen haben Sie das Project STOP aufgebaut?

Uns war klar, dass wir eine solch weitgreifende Veränderung nicht sofort in einem ganzen Land oder sogar in mehreren Ländern umsetzen können. Wir haben uns daher entschieden, uns auf ein bestimmtes Land, also Indonesien, zu konzentrieren, um dort, gemeinsam mit der Stadtverwaltung, ein nachhaltiges und finanzierbares Abfallmanagementsystem aufzubauen. Ziel war es, ein prototypisches Modell für eine bestimmte Stadt zu entwickeln, welches dann skalierbar ist.

Ebenso klar war uns, dass ein Export von Standard-Lösungen aus Europa nicht funktionieren wird, sondern dass wir vor Ort sein müssen, Learning by Doing sozusagen. Dazu haben wir ein Team von nationalen und internationalen Experten aufgestellt, welches gemeinsam mit der lokalen Behörde und der Kommune ein Modell entwickelt hat, welches auch wirklich zu den lokalen Gegebenheiten passt. Nach mittlerweile 18 Monaten konnten wir bereits einen großen Teil der Stadt Muncar mit einem funktionierenden Abfallsammlungs- und -verwertungssystem versorgen und dadurch nicht nur bessere Lebensbedingungen, sondern auch 90 neue Jobs schaffen.

Hat sich dieser Weg als richtig erwiesen?

Wir sind noch auf dem Weg. Aber derzeit spricht alles dafür, dass unser Ansatz funktioniert. Im Februar dieses Jahres haben wir mit der Arbeit in zwei weiteren Städten, Pasuruan und Jembrana, beide in Indonesien, begonnen, wo wir auf den Erfahrungen, die wir in Muncar gesammelt haben, aufbauen können. Inzwischen hat uns das zuständige Ministerium sogar gebeten, das Konzept auf weitere Städte zu übertragen. Das Potenzial zur Skalierung ist also nicht nur in der Theorie vorhanden.

Bei Project STOP wirken inzwischen neben Borealis auch Unternehmen wie Nestlé, Veolia, die Schwarz Gruppe oder die Alliance to End Plastic Waste mit. Sind Sie damit nicht selbst zu einem dieser langsamen Netzwerke geworden, die Sie meiden wollten?

Project STOP ist kein Partnernetzwerk, sondern ein Programm, welches von einigen ausgewählten, engagierten Unternehmen finanziert und durch einen kleinen Steuerungskreis gelenkt wird. Unser Projektmanagement bleibt schlank, und wir achten darauf,
handlungsschnell zu bleiben.

Was kann ein Unternehmen allein besser? Was geht besser in großen Netzwerken?

Das kommt auf die jeweilige Zielsetzung an: Wer eine besonders kraftvolle Stimme im politischen Dialog erheben oder eine schlagkräftige Finanzierung möchte, braucht große Allianzen. Will man hingegen schnell entwickeln und umsetzen, ist es oft besser, mit einigen wenigen ausgewählten Partnern loszulegen, deren Kompetenzen man zur Umsetzung braucht.

https://www.stopoceanplastics.com/
https://www.youtube.com/user/borealistv