„Plastic Credits bieten Planungssicherheit“

Im POLYPROBLEM-Interview erzählt Sahithi Snigdha Bhupathiraju, COO und Direktorin von Waste Ventures India, von den Vorzügen der Zusammenarbeit mit Maklern und warum Plastic Credits sich als Geschäftsmodell während der Pandemie besonders ausgezahlt haben.

Was ist die Mission von Waste Ventures India (WVI)?

Der Beginn von Waste Ventures India reicht in das Jahr 2015 zurück. Damals haben wir mit Marken wie Tetra Pak zusammengearbeitet und ihnen in Südindien dabei geholfen, ihren Anforderungen gemäß der Erweiterten Produzentenverantwortung (EPR) gerecht zu werden. Heute zählt es zu unseren Hauptaufgaben, Abfälle direkt bei Privathaushalten, Firmen oder anderen Einrichtungen einzusammeln. Unser Ziel war es von Anfang an, sowohl einen sozialen als auch einen ökologischen Mehrwert durch unsere Arbeit zu leisten. Indem wir Anreize für die Sammlung von nicht recycelbarem Kunststoff schaffen konnten, gelang es, auch dieses Material in die formelle Lieferkette zu integrieren und gleichzeitig den Müllsammlern ein zusätzliches Einkommen von fast 20 Prozent zu bieten.

Welche Bedeutung hat für WVI die Kooperation mit Maklern wie rePurpose und Plastik-Kompensation im Allgemeinen als Geschäftsmodell?

Plastic Credits haben sich als sehr wichtig erwiesen, weil im Fall von EPR-Systemen die Uneinheitlichkeit immer noch ein großes Problem darstellt. Insbesondere die Ungewissheit darüber, ob Unternehmen ihre Verträge verlängern, erschwert uns den Aufbau zuverlässiger Beziehungen zu unseren Abfallsammlern. Plastic Credits hingegen können eine Perspektive bieten und gewähren Kontinuität. Dadurch können wir nicht nur unsere Sammlung besser planen, sondern auch konkrete Erwartungen an unsere Abfallsammler formulieren und transparent kommunizieren. Auf dieser Grundlage können wir Vertrauen aufbauen und unsere Zahlungsströme besser organisieren.

Eine große Herausforderung besteht jedoch nach wie vor darin, die Brücke zu schlagen zwischen der äußerst formalen Dokumentationspflicht für Plastic Credits einerseits und dem informellen Charakter der Abfallsammlung andererseits.

Wie kam die Zusammenarbeit mit rePurpose zustande? Wurden Sie aktiv angesprochen?

Vor ein paar Jahren trat rePurpose an uns heran, als sie in ganz Indien auf der Suche nach sogenannten Impact-Partnern waren. Wir wurden auch von einigen anderen Marktplätzen angesprochen. Mit rePurpose haben wir aber einen Exklusivvertrag geschlossen, so wie es bei Kooperationen mit den meisten Marktplätzen üblich ist. Das macht auch Sinn, da sie viel Zeit und Mühe investieren, um den lokalen Projekten bei der Formalisierung von Prozessen und der Festlegung von Richtlinien zu helfen. Ein Beispiel hierfür ist das rePurpose Plastic Credit Protocol, das im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Es bietet den rePurpose-Impact-Partnern einen Leitfaden für die Gestaltung ihrer internen Richtlinien unter dem Regelwerk internationaler Standards.

Welchen Einfluss hat die COVID-Pandemie auf Ihre Arbeit gehabt? Und welche Rolle haben Plastic Credits in diesem Kontext gespielt?

Die Plastic Credits spielten während der Pandemie eine wichtige Rolle, da sie kontinuierliche Geldströme sicherstellen konnten. Mit Unterstützung von rePurpose konnten wir sogar ein Programm zur Verteilung von Lebensmitteln und Hygieneartikeln auf die Beine stellen, wodurch rund 1.500 Abfallsammlerfamilien während des Lockdowns im Jahr 2020 unterstützt werden konnten. Außerdem war es uns möglich, sie im Voraus zu bezahlen und ihnen die Option zu gewähren, den Lohnvorschuss in den darauffolgenden zwei Monaten in Form von gesammeltem Plastikabfall zurückzuzahlen. Auf diese Weise blieb ihr Geld im Umlauf, und sie konnten im Anschluss wieder allmählich ihre Arbeit aufnehmen.

Abgesehen von der Pandemie, wie sieht Ihre Zusammenarbeit mit rePurpose in der Praxis aus?

In diesem Jahr haben wir damit begonnen, bei der Ausgestaltung unserer internen Prozesse stärker zusammenzuarbeiten. RePurpose hat hierfür externe Berater hinzugezogen, die uns bei der Ausarbeitung von Richtlinien helfen und bei der Identifizierung von Prozessen, die einer Optimierung bedürfen. Wir haben aber auch die Notwendigkeit erkannt, darüber hinauszugehen und uns weiterzuentwickeln, nicht nur zugunsten von rePurpose, sondern auch in unserem eigenen und dem Interesse unserer Kunden.

Als wie wichtig schätzen Sie den Beitrag ein, den der Kompensationsmarkt tatsächlich zum Umweltschutz beitragen kann?

Als sehr wichtig. Der Markt befindet sich zwar noch in der Entwicklung, aber sobald er sein volles Potenzial erreicht hat, kann er einen enormen Beitrag leisten. Anreize für die Abfallsammlung zu schaffen, indem Unternehmen und Marken direkt dazu beitragen, dass Kunststoff nicht auf illegalen Deponien landet, zwingt sie, ihren Plastik-Fußabdruck zu überdenken. Anstelle eines vagen Nachhaltigkeitsziels fußt das Kompensationsgeschäft auf konkreten Zahlen, die angeben, wie viel Plastik produziert wird und wie viel entsprechend kompensiert werden muss. Die wesentliche Herausforderung für den Plastic-Credit-Markt bleibt jedoch, zum einen die Komplexität der Funktions- und Arbeitsweise des informellen Sektors zu berücksichtigen und gleichzeitig die Anforderungen der Marken zu erfüllen.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Kauf Dich frei