Technologie für die Optimierung der städtischen Abfallwirtschaft

Noch viel zu oft landen Plastikabfälle dort, wo sie nicht hingehören und für immer verloren gehen. Allein in Berlin beträgt die Fehlwurfquote im Restmüll 66 Prozent. (1) Dabei zahlt sich sortenreines Trennen in zweierlei Hinsicht aus, denn vielerorts wird Restmüll nach Gewicht berechnet. Ob künstliche Intelligenz, Robotik, das Internet der Dinge (IoT) oder Blockchain – all diese technologischen Ansätze spielen deshalb eine Rolle, wenn es darum geht, die städtische Abfallwirtschaft zu digitalisieren und Abfallrouten durch eine bessere Steuerung effizienter zu gestalten, dadurch Zeit, Kosten und CO₂ zu sparen und anhand der Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern mehr Transparenz zu schaffen.

Viele Städte haben sich bereits auf den Weg zur Smart Waste Management City gemacht (2) – ob New York, Amsterdam, Stockholm, (3) Songdo in Südkorea, oder eben Villach. Die 65.000-Einwohnerstadt in Kärnten startete Anfang 2020 im Rahmen eines Public Private Partnership-Modells gemeinsam mit der Saubermacher Dienstleistung AG ein Pilotprojekt, um mithilfe künstlicher Intelligenz die städtische Abfallentsorgung zu optimieren. (4) So wurden in 1.100 Altglascontainern Sensoren installiert, die regelmäßig die Füllstände messen, damit eine Leerung nur dann stattfindet, wenn die Behältnisse tatsächlich voll sind.

Auch in Berlin (5) testet die Berliner Stadtreinigung (BSR) seit 2020 Funksensoren an Unterflurcontainern, die rund um die Uhr Füllstanddaten sammeln. (6) Diese Daten werden dann an Cloud-Server übertragen, wo sie mithilfe von künstlicher Intelligenz analysiert und auf einem Dashboard visualisiert werden, um optimale Routen an die Navigationssysteme der Müllfahrzeuge zu übertragen. Bis zu 30 Prozent mehr Effizienz hinsichtlich der pünktlichen Leerung und weniger CO₂- Emissionen versprechen sich die Berliner Entsorger von dem System. (7)

Die Wirtschaftsbetriebe Duisburg haben 2021 eine Fallstudie zur Bewertung der Nutzen von Füllstandssensoren veröffentlicht, wofür in 13 unterschiedlichen Abfallbehältern parallel bis zu fünf Sensortypen eingesetzt wurden, um die Chancen und Grenzen des Einsatzes von Sensoren zu evaluieren. Die Tests im Rahmen der Studie ergaben teils hohe Abweichungen zwischen den Sensor-Messwerten und dem realen Füllstand der Behältnisse, was auf Ausreißer zurückzuführen sei, wie beispielsweise Fälle, in denen Abfälle direkt unter dem Sensor platziert wurden.

Zudem belege die Studie, dass bestehende Abfuhrintervalle bei grundstücksbezogenen Behältern und Fraktionen wie Restmüll, Leichtverpackungen (LVP) und Papier, Pappe und Karton (PPK) bereits in einer angemessenen zeitlichen Frequenz und somit nur selten zu früh oder zu spät erfolgen. Die Analyse weist demnach bei öffentlichen Behältern ein größeres Potenzial für den Einsatz von Sensoren aus. Das liegt auf der Hand, denn wie schnell sich ein Abfallbehälter im öffentlichen Raum füllt, ist schwerer zu prognostizieren als bei den Mülltonnen in den Haushalten. (8)

In Bangladesch zum Beispiel hat der zweitgrößte Mobilfunknetzbetreiber des Landes, Robi Axiata, der Stadt Dhaka fünfhundert Sensoren zur Verfügung gestellt, um die Füllstände in öffentlichen Abfallbehältern zu überwachen und dann die zuständigen Stellen zu informieren, wenn eine Leerung notwendig ist. (9)

Zurück ins österreichische Villach: Um die materielle Zusammensetzung von Abfällen KI-gestützt zu analysieren und somit auch private Trennquoten zu ermitteln, wurden hier – ebenso wie in Berlin – auch sogenannte Wertstoffscanner (Infrarotkameras und Sensoren) in Müllwagen getestet. (10) Im Fall von Villach befinden sich hierfür jeweils Chips mit Identifikationsnummern an den Mülltonnen, damit nicht nur die Daten den Standorten der 450 freiwillig am Piloten teilnehmenden Haushalten zugeordnet werden, sondern auch die Abfallentsorger per App direktes Feedback zu ihrer Müllentsorgung erhalten können. (11)

Langfristig könnten ein solches Abfallmonitoring und die transparente Bereitstellung entsprechender Analysen die Chance bieten, durch zielgruppenspezifischere Informations- und Aufklärungskampagnen zu einem nachhaltig verbesserten Trennverhalten beizutragen, mit der Aussicht auf sinkende Entsorgungskosten für besonders vorbildlich trennende Bürgerinnen und Bürger.

Eine Herausforderung für die flächendeckende Einführung solcher Systeme besteht in den regionalen Unterschieden. Diese beschäftigen nicht nur die Entsorger, sondern auch die Abfallerzeuger, weil mancherorts drei verschiedene Behälter und anderenorts nur ein Behälter für wiederverwertbare Verpackungsabfälle zur Verfügung stehen. Insbesondere im Auslandsurlaub wird jedem Verbraucher die Vielfalt an Trennungsweisen deutlich bewusst. Neben der Informationsbereitstellung zu Aufklärungszwecken gilt es also, auch unnötige Komplexitäten abzubauen und nutzungsfreundliche Lösungen bereitzustellen. Das gilt vor allem für die Orte, an denen die Mülltrennung besonders schnell und zuverlässig gehen muss: auf der Shoppingmeile, am Gleis oder kurz vor dem Boarding.

Smarte Abfallbehälter am Beispiel von Bin-e

„Falsche Mülltrennung ist oftmals auf Unwissen oder mangelnde Zeit zurückzuführen. Wir wollen niemanden vorverurteilen oder Unwillen unterstellen, sondern eine sinnvolle Lösung anbieten“, so Jakub Luboński, Geschäftsführer und Co-Gründer von Bin-e. Das polnische Start-up hat smarte Abfallbehälter entwickelt, von denen heute bereits 250 Stück in über 20 Ländern zum Einsatz kommen und auch schon am Bahnhof Münster getestet wurden.

Die smarten Mülleimer stehen bisher in Einkaufszentren oder Bürokomplexen und nutzen ein Bilderkennungssystem, das nach Eingabe des Abfalls eine Bildaufnahme anfertigt, die in Millisekunden durch künstliche Intelligenz ausgewertet wird, um das Stück Abfall dann in den entsprechenden Behälter zu transportieren und dort zu pressen. Sensoren überwachen den Füllstand der vier Behältnisse, sodass bei Leerungsbedarf eine Benachrichtigung an das zuständige Facility Management übermittelt wird.

Eine wesentliche Frage, die sich für die Bin-e-Entwickler stellte, war, ob Kunden überhaupt an der teuren Anschaffung und Wartung von intelligenten Mülleimern interessiert sein würden, wenn deren Aufstellung keinerlei finanziellen Nutzen abwirft. Schließlich zahlen Abfallerzeuger bisher nicht dafür, wenn sie Mülleimer benutzen. Schnell war deshalb klar, dass ein Mehrwert für die Aufsteller der Abfallbehälter geschaffen werden muss: „Hier kommt das ‚smart‛ ins Spiel. Wir stellen unseren Kunden Echtzeitdaten über die Nutzung und Abfallzusammensetzung bereit“, berichtet Luboński. Diese Daten werden dann in einer Cloud gesammelt, und per App oder Dashboard können Informationen zu den gesammelten Abfällen und zum technischen Zustand der smarten Mülleimer eingesehen werden. Denn für Luboński ist klar: „Es kommt nicht nur darauf an, die Daten zu haben, sondern auch zu wissen, wie man sie am Ende des Tages nutzen kann. So lassen sich beispielsweise Stoffströme besser kontrollieren oder aber auch wichtige Daten für das CSR- oder EPR-Reporting generieren.“

 

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Der Circularity Code

 

Fußnoten

(1) Ott (2023)

(2) Joshi (2022)

(3) Shahrokni et al. (2014)

(4) Goldschald (2021)

(5) Hinweis Duisburg

(6) BSR (2020); BSR (2021)

(7) Ott (2023), S. 8

(8) Vgl. Hoffman et al. (2021)

(9) Wilson et al. (2021), S. 30

(10) BSR (2023), S. 11; Godschald (2021), S. 3

(11) Goldschald (2021), S. 3

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Bidlquelle Beitragsbild POLYPROBLEM Website: Foto von Jack Blueberry auf Unsplash