Die Gemütslage in Zahlen

Eigentlich dürfte der Kampf gegen den Kunststoffabfall in der Umwelt an Vehemenz und persönlichem Einsatz kaum zu überbieten sein. Das legen Zahlen aus mehreren Studien nahe. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus.

Fast 400 Millionen Tonnen Plastikmüll werden weltweit jedes Jahr produziert. Ohne Gegenmaßnahmen könnte sich die Menge bis 2040 nahezu verdoppeln. (1)

Das Problembewusstsein dafür wächst in der Bevölkerung. In einer Studie des Umweltbundesamtes aus dem Jahr 2022 gaben 63 Prozent der Befragten in Deutschland an, gut oder sehr gut über Plastikmüll in der Umwelt informiert zu sein. (2) Die Einordnung des Problems fällt noch deutlicher aus: 93 Prozent der Befragten empfinden Plastikeinträge in die Natur als bedrohlich, und 91 Prozent äußerten Empörung über menschengemachte Umweltprobleme wie das Plastik in den Weltmeeren. (3)

Dementsprechend sehen es auch 72 Prozent der Deutschen als sehr wichtig an, der Wegwerfmentalität entgegenzuwirken, Materialien länger zu nutzen und mehr zu recyceln. (4) In einer weiteren Studie zeigten sich 71 Prozent der Befragten überzeugt, dass in Deutschland zu viel Einwegplastik verwendet wird. (5)

Auch an der Überzeugung, dass eine Verhaltensänderung in der Nutzung von Plastik nötig ist, mangelt es nicht: 50 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Deutschland die Nutzung von Einwegplastik reduzieren sollte. 31 Prozent fordern einen vollständigen Verzicht auf Einwegplastik. (6) Auf globaler Ebene unterstützen sogar 75 Prozent der Befragten ein Verbot von Einwegplastik. (7) Die Verantwortung für die Reduzierung sehen Deutsche gleichmäßig verteilt bei Unternehmen, Regierungen und sich selbst als Verbrauchenden. (8)

Wenn so viel Handlungsbereitschaft da ist, wieso gehen die Wissenschaftler dann weiterhin von wachsenden Plastikmüllbergen aus?

Auf politischer Ebene werden aktuell verschiedene gesetzliche Rahmenbedingungen diskutiert, die den Plastikverbrauch verändern sollen: Es laufen internationale Verhandlungen zu einem globalen Plastikabkommen, das eine international rechtlich verbindliche Grundlage für den Umgang mit Plastik schaffen soll. (9) Auch die Europäische Union arbeitet an neuen Ansätzen, etwa einer Verpflichtung zum digitalen Produktpass, der für mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in der Lieferkette sorgen soll, der Green Claims Directive (EU 2024/825) zur Reduktion von Greenwashing oder der bereits im Februar 2025 in Kraft getretenen Packaging and Packaging Waste Regulation (PPWR). (10,11,12)

In Deutschland gilt bereits seit dem Januar 2023 eine Mehrweg-Angebotspflicht für gastronomische Betriebe, die Speisen und Getränke zum Mitnehmen verkaufen. Doch die bisherigen Zahlen zeigen: Die Wirkung der Maßnahmen bleibt überschaubar. Die aktuellen gesetzlichen Regelungen allein reichen offenbar nicht aus, um eine spürbare Verhaltensänderung zu bewirken – trotz der erklärten Absicht vieler Verbraucherinnen und Verbraucher, weniger Plastik nutzen zu wollen. Die Crux: Auch verbesserte Angebote zeigten bisher nicht die Wirkung, die anhand des nachgewiesenen Problembewusstseins zu erwarten gewesen wäre.

Während das Konzept der verpackungsfreien Supermärkte in den vergangenen Jahren als Hoffnungsträger einer nachhaltigen Konsumkultur galt und vor allem in Großstädten rasch wuchs, scheint der Boom inzwischen vorbei zu sein. Laut aktuellen Zahlen gab es im Jahr 2024 zuletzt 235 Unverpackt-Läden – ein Rückgang um 17,5 % im Vergleich zum Vorjahr. (13) Auch im Einzelhandel laufen verpackungsfreie Produkte nicht so gut, wie die begeisterten Aussagen vermuten lassen würden.

Trotz ausgeprägten Problembewusstseins und der scheinbar weitverbreiteten Bereitschaft, Einwegplastik zu reduzieren, werden bestehende Angebote bislang dennoch individuell schlecht angenommen. Auch eine systemische Veränderung in der Wirtschaft oder tiefergehende politische Leitlinien stehen noch aus.

Hier wird das volle Ausmaß des Intention-Behavior-Gaps sichtbar.

Erschienen im POLYPROBLEM-Themenreport Die Kluft im Kopf

 

Fußnoten

(1) Alves, Bruna (2025). Plastic waste worldwide – statistics & facts. https://www.statista.com/topics/5401/global-plastic-waste/#topicOverview

(2) Grothmann, Torsten; Frick, Vivian; Harnisch, Richard; Münsch, Marlene; Kettner, Sara Elisa; Thorun, Christian (2023). Umweltbewusstsein in Deutschland 2022 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, S. 30. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbewusstsein-in-deutschland-2022

(3) Grothmann, Torsten; Frick, Vivian; Harnisch, Richard; Münsch, Marlene; Kettner, Sara Elisa; Thorun, Christian (2023). Umweltbewusstsein in Deutschland 2022 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, S. 49. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbewusstsein-in-deutschland-2022

(4) Grothmann, Torsten; Frick, Vivian; Harnisch, Richard; Münsch, Marlene; Kettner, Sara Elisa; Thorun, Christian (2023). Umweltbewusstsein in Deutschland 2022 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, S. 35. https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/umweltbewusstsein-in-deutschland-2022

(5) YouGov (2023). Plastikfrei(er) leben, S. 4. https://business.yougov.com/de/content/47270-plastikfreier-leben

(6) YouGov (2023). Plastikfrei(er) leben, S. 8. https://business.yougov.com/de/content/47270-plastikfreier-leben

(7) Cobbing, Madeleine (2024). People vs Plastic, S.6. https://www.greenpeace.org/static/planet4-international-stateless/2024/04/eaa6997d-survey-results-global-plastics-treaty.pdf

(8) YouGov (2023). Plastikfrei(er) leben, S. 11. https://business.yougov.com/de/content/47270-plastikfreier-leben

(9) United Nations Environment Programme (2025). Intergovernmental Negotiating Committee on Plastic Pollution, https://www.unep.org/inc-plastic-pollution

(10) European Union (2024). EU’s Digital Product Passport: Advancing transparency and sustainability. https://data.europa.eu/en/news-events/news/eus-digital-product-passport-advancing-transparency-and-sustainability

(11) European Parliament (2024). Stopping greenwashing: how the EU regulates green claims. https://www.europarl.europa.eu/topics/en/article/20240111STO16722/stopping-greenwashing-how-the-eu-regulates-green-claims

(12) Europäisches Parlament (2024). Neue EU-Vorschriften: weniger Verpackungen, mehr Wiederverwendung und Recycling. https://www.europarl.europa.eu/news/de/press-room/20240419IPR20589/neue-eu-vorschriften-weniger-verpackungen-mehr-wiederverwendung-und-recycling

(13) Statista Research Department (2025). Anzahl der beim Verband der Unverpackt-Läden verzeichneten Unverpackt-Läden in Deutschland in den Jahren 2023 und 2024. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1479567/umfrage/anzahl-der-unverpackt-laeden-in-deutschland/#:~:text=In%20Deutschland%20wurden%20im%20Jahr%202024%20zuletzt%20235,Zusammenhang%20steht.%20Sofortiger%20Zugriff%20auf%20%C3%BCber%201%20Mio.

 

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