Plastik-Regulierung in Deutschland

Der Trinkhalm, die Plastikgabel, der kleine Rührstab für den Cappuccino unterwegs: drei von acht Produkten, die seit 3. Juli 2021 nicht mehr produziert werden dürfen. Auch mit der Styroporbox für die Nudeln vom Asiaten nebenan ist es vorbei. Ob sich durch dieses Verbot die Menge des Plastikabfalls maßgeblich verringern lässt, oder ob es sich dabei eher um ein Signal an Industrie und Verbraucher handelt, darüber gehen die Meinungen auseinander.

Einwegkunststoffverbotsverordnung heißt die verbindliche Regelung, mit der die Bundesrepublik nichts anderes getan hat, als eine EU-Richtlinie pflicht- und fristgemäß umzusetzen. Diese wiederum nennt sich „Single-Use Plastics (SUP) Directive“ und wurde bereits am 2. Juli 2019 von der Europäischen Kommission erlassen. Sie beinhaltet das Verbot zum Inverkehrbringen von Einweg- Kunststoffartikeln, wie Trinkhalmen, Besteck und Geschirr, Rührstäbchen, Wattestäbchen sowie To-go- Getränkebechern, Fast-Food-Verpackungen und Wegwerf- Essensbehältern aus expandiertem Polystyrol. Auch Einweggeschirr aus biobasierten oder biologisch abbaubaren Kunststoffen sowie aus Pappe, die mit Kunststoff überzogen ist, sind nicht mehr erlaubt.

Seit dem Inkrafttreten darf nur noch vorhandene Ware abverkauft werden. (1) Außerdem müssen bestimmte Einweg-Kunststoffartikel, wie Feuchttücher oder Getränkebecher mit Hinweisen zur richtigen Entsorgung gekennzeichnet werden.

In der öffentlichen Debatte findet sich kaum jemand, der gegen das Verbot offen zu Felde zieht. Nicht einmal die Hersteller der verbannten Produkte trauen sich das. Intensiv diskutiert wird hingegen die Frage nach der Wirkung der Maßnahme. (2)

Das Verbot geht in die richtige Richtung, greift aber zu kurz“, sagt Elke Salzmann, Referentin für Ressourcenschutz beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Sie verweist darauf, dass nicht wirklich die Produkte verboten wurden, auf die es ankomme. Viele To-go-Verpackungen blieben ja grundsätzlich erlaubt. So seien beispielsweise zwar Einwegbecher und Essensschalen aus aufgeschäumtem Polystyrol verbannt, nicht aber solche aus anderen kunststoffhaltigen Materialien. „In vielen Fällen wird es somit nur zu einer Verschiebung von Produkten im Markt führen. Man wird auf andere Materialien ausweichen, und das löst natürlich nicht die Probleme, die wir haben“, befürchtet Salzmann.

Durchweg positiv beurteilt die Verbraucherschützerin die ebenfalls in der Verordnung enthaltene Kennzeichnungspflicht. Produkte, die nicht vom Verbot erfasst werden, aber für das Plastikmüllproblem besonders relevant sind, müssen fortan Warnhinweise und Hinweise zur richtigen Entsorgung tragen – beispielsweise Feuchttücher, Zigaretten mit kunststoffhaltigen Filtern oder To-go-Becher.

Wir haben in einer Umfrage festgestellt, dass ein großer Teil der Verbraucher gar nicht wusste, dass die betroffenen Produkte Kunststoffe enthalten. Deshalb ist so eine Kennzeichnungspflicht eine positive Maßnahme, die allerdings nicht ausreichen wird. Man muss Verbote künftig noch viel stärker mit der Aufklärung der Verbraucher verbinden“, fordert Verbraucherschützerin Salzmann.

Verbot folgt auf Quoten

Die Einwegkunststoffverbotsverordnung vom 3. Juli 2021 ist nicht die erste regulatorische Maßnahme des deutschen Staates und der EU zur Vermeidung von Kunststoffabfall.

Auf europäischer Ebene wurden 2018 mit dem Kreislaufwirtschaftspaket unter anderem Änderungen der Abfallrahmenrichtlinie und der Verpackungsrichtlinie beschlossen. Dabei bekräftigte die Europäische Union die Vermeidung als oberste Priorität der Abfallhierarchie. Die Recyclingziele für bestimmte Abfallarten werden ab 2025 erhöht.

Die Neuerungen mussten bis 2020 in nationales Recht überführt werden, was in Deutschland unter anderem 2019 mit dem neuen Verpackungsgesetz und 2020 durch die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geschah.

Für Deutschland beträgt die Mindestquote für die werkstoffliche Verwertung von Kunststoffverpackungen mit dem neuen Verpackungsgesetz 58,5 Prozent. Ab 2022 erhöht sie sich auf 63 Prozent. Im Jahr 2019 lag die erreichte Quote in Deutschland bei 55,2 Prozent. Die gesetzlichen Vorgaben beziehen sich jedoch nur auf Verpackungen, die dem dualen System unterliegen, und beinhalten beispielsweise keine gewerblichen Verpackungen. Bei den Verpackungen des dualen Systems wurde die Quote mit 58,5 Prozent werkstofflichem Recycling somit erfüllt. (3) Außerdem schreibt das Verpackungsgesetz den dualen Systemen vor, bei der Gestaltung ihrer Lizenzgebühren ökologische Kriterien zu berücksichtigen.

Kein Zwang zum Mehrweg

Mit der Novelle des deutschen Verpackungsgesetzes müssen Caterer, Lieferdienste und Restaurants ab 2023 ihren Kundinnen und Kunden auch Mehrwegbehältnisse für mitgenommene beziehungsweise bestellte Speisen und Getränke anbieten, die nicht teurer sein dürfen als die Einwegverpackung. (4) Kleine Unternehmen sind von der Verpflichtung ausgenommen, müssen jedoch auf Wunsch Speisen und Getränke in die Behältnisse der Kundinnen und Kunden abfüllen.

Auch hier ist wieder das Problem, dass sich das Gesetz nur auf Kunststoffverpackungen bezieht. Jeder Anbieter, der auf Pappe wechselt, ist dann nicht gezwungen, Mehrwegalternativen zum gleichen Preis anzubieten. Ein weiteres großes Schlupfloch ist, dass dies nur Anbieter betrifft, deren Verkaufsfläche größer als 80 Quadratmeter ist. Und damit bleiben nicht mehr so viele übrig“, gibt Elke Salzmann vom Verbraucherzentrale Bundesverband zu bedenken.

Als nächstes ist die Tüte dran

Ab 2022 ist die Ausgabe von Kunststoff-Tragetaschen (5) in Deutschland nicht mehr erlaubt. Bereits seit 2016 besteht eine Vereinbarung (6) zwischen Bundesumweltministerium und dem Handelsverband Deutschland, um die Ziele der EU-Richtlinie zur Verringerung des Verbrauchs von Kunststoff-Tragetaschen (7) zu erreichen. Diese sah bis Ende 2019 einen Verbrauch von jährlich maximal 90 Tüten pro Person vor und bis Ende 2025 von höchstens 40 Tüten.

Die aktuell eingeführte Einwegkunststoffverbotsverordnung ist also nur die Spitze einer ganzen Kaskade regulatorischer Maßnahmen des Staates, die allerdings zumeist europäische Regelungen in nationales Recht umsetzt. Eigene, nationalstaatliche Verbote gibt es in Deutschland praktisch nicht. Der 2018 vom Bundesumweltministerium vorgestellte Fünf-Punkte-Plan für weniger Plastik und mehr Recycling (8) hat eher den Charakter einer Absichtserklärung.

Die aktuell eingeführte Einwegkunststoffverbotsverordnung ist also das erste „richtige“ Plastikverbot in Deutschland.

Auszug aus dem POLYPROBLEM-Themenreport Strafsache Strohhalm

Fußnoten

(1) Bundesregierung (2021)

(2) Zeit Online (2018)

(3) IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V. und PlasticsEurope Deutschland e.V. (2020)

(4) Bundesregierung (2021)

(5) Leichte Plastiktüten mit Wandstärken von 15 bis 50 Mikrometern

(6) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und Handelsverband Deutschland (HDE) (2016)

(7) Europäisches Parlament und Rat (2015)

(8) Bundesministerium für Umwelt und nukleare Sicherheit (2018)

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